„Wohlwollen für eine ergebnisorientierte Honorierung“
Key-Note-Speaker Prof. Dr. Bernhard Brümmer zur Nachhaltigen Produktivitätssteigerung
Die DLG schlägt einen neuen Fortschrittsbegriff vor: „Nachhaltige Produktivitätssteigerung“. Vor den DLG-Unternehmertagen am 2. und 3. September 2025 mit dem Thema „Nachhaltige Produktivitätssteigerung – Betrieb, Markt, Umwelt“ in Erfurt gibt Key-Note-Speaker Prof. Dr. Bernhard Brümmer von der Universität Göttingen eine Einschätzung aus Sicht der Wissenschaft und nimmt Bezug auf die Vorschläge der EU-Kommission zur Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) ab 2028.
Nachhaltige Produktivitätssteigerung und Biodiversität – kann das aus Sicht der Wissenschaft gelingen?
Prof. Bernhard Brümmer: Ja, das kann gelingen. Dahinter steckt der häufig gebrauchte Begriff der Nachhaltigkeit, den es dann aber nun auch ernst zu nehmen gilt. Wenn es also eine nachhaltige Produktivitätssteigerung im ursprünglichen Sinne sein soll, dann muss die ökologische Komponente mit in den Blick genommen werden. Ferner sind der gesamte Ressourcenverbrauch und eine mögliche Ressourcenschonung durch weiter verbesserte Produktionsverfahren zu berücksichtigen. Dann lässt sich ein umfassendes Produktivitätsmaß für die landwirtschaftliche Erzeugung definieren und auch messen, was dann auch die Richtung der Produktivitätssteigerung lenken kann.
Lassen sich damit Naturschutzmaßnahmen streichen?
Da antworte ich mit einem klaren Nein. Denn das Problem bei jedem Produktivitätsmaß wird es sein, dass es nur mit Gütern funktioniert, wo wir einen Preis definieren können. So bezieht sich die klassische Faktorproduktivität in der Landwirtschaft auf die Inputs, also auf Faktoren, die Landwirte zukaufen müssen. So berücksichtigen wir die Grundwasserbelastung nicht, weil wir hier kein Preisschild daran kleben können. Und bei der Biodiversität ist es genauso.
Ich sehe auf absehbare Zeit nicht, dass wir sämtliche Facetten von Biodiversität und anderen umweltbezogenen Gütern und Dienstleistungen in einem solchen Bewertungssystem abbilden können, um es als Satz für Marktpreise heranziehen zu können. In manchen Situationen werden dann gezielte Naturschutzmaßnahmen kommen.
Betriebswirtschaftliche Berechnungen der Produktivität unter GLÖZ-Standards und Öko-Regeln haben die Wirtschaftlichkeit der Betriebe in Frage gestellt. Kann Umweltschutz gelingen, ohne Abstriche zu machen?
Ich glaube schon. Das ist ja in Ansätzen die Logik, die hinter den Agrarumweltmaßnahmen steckt. Wir haben zunehmende Erfordernisse an die Produktionsverfahren, um bestimmte ökologische Ziele zu erreichen. Wenn wir diese komplett außen vorlassen, dann wäre eine Produktion nicht mehr möglich. Dementsprechend kann es eine gezielte und idealerweise, ergebnisorientierte Honorierung von Umweltleistungen geben.
Wobei wir diese aktuell daran koppeln, dass bestimmte Veränderungen in den Produktionsverfahren vorgenommen werden und damit auf der Inputseite. Dieser Schritt, der zur Diskussion der EU-Vorschläge zur GAP ab 2028 jetzt vorliegt, regt dazu an, stärker auf das Ergebnis und damit auf eine Output-orientierte Sichtweise zu gelangen. Das halte ich auch für vernünftig.
Dann wiederum kann man den Landwirten das Umsetzen und Erreichen der gesellschaftlichen Wünsche selbst überlassen. Das ist für Landwirte ein stärkerer Anreiz, diese Ziele dann auch zu erreichen. Manchmal sind die Vorgaben, wie einige GLÖZ-Standards gezeigt haben, praxisfern und mitunter nicht besonders zielführend. Deshalb hege ich besonders viel Wohlwollen für eine ergebnisorientierte Honorierung.

Zur Person
Prof. Dr. Bernhard Brümmer ist seit 2011 Professor für Landwirtschaftliche Marktlehre an der Fakultät für Agrarwissenschaften der Georg-August-Universität Göttingen. In dieser Funktion verantwortet er die akademische Ausbildung im Bereich der Agrarökonomie mit einem besonderen Fokus auf Marktanalyse, internationale Agrarpolitik und ökonomische Modellierung. Seit 2021: Vizepräsident für Forschung und Nachhaltigkeit an der Universität Göttingen. Die Forschungsschwerpunkte des 56-jährigen Wissenschaftlers Agrarmärkte, Effizienzanalysen, internationale Agrarpolitik, Preistransmission und GAP-Reformen.
Dabei schließen Sie Ressourcenschutz und Biodiversität nicht aus?
Das schließe ich nicht aus, wo immer es gut geht und messbar ist und eine klare Beziehung vorhanden ist, zwischen landwirtschaftlicher Produktion und dem gesellschaftlich gewünschten Ergebnis. Dies lässt sich über eine ergebnisorientierte Honorierung erreichen. Das gilt nicht immer. Wenn wir ein Gewässerschutzgebiet betrachten und man eine ausdifferenzierte Fruchtfolge haben möchte, lässt sich dieses Vorhaben eher über das Ordnungsrecht verwirklichen.
Nicht alle Maßnahmen können in einer individuellen Skala eines Landwirts überzeugend ergebnisorientiert adressiert werden. Deshalb braucht es dann Regeln oder besser Förderangebote, die das Erreichen dieser Ziele auf den Weg bringen.
Ist das Ende des Green Deals aufgrund der neuen Priorität Ernährungssicherung in der EU besiegelt?
Green Deal hat sich zu einem gewissen Reizwort entwickelt, worunter verschiedene Akteure verschiedene Dinge verstehen. Wenn ich die Ziele des Green Deal auf der großen Ebene sehe, würde ich sagen, nein der Green Deal ist nicht erledigt. Es bleiben unverändert die großen Herausforderungen, dass wir Produktionssysteme nicht nur in der Landwirtschaft fit machen für die Zukunft und damit explizit den Ressourcenverbrauch mit in den Blick nehmen müssen.
Wenn wir einzelne Maßnahmen, die für die Landwirtschaft im Green Deal definiert waren, anschauen, ging von der geplanten Verordnung zur nachhaltigen Verwendung von Pflanzenschutzmitteln, kurz, SUR wohl die stärkste Polarisierung aus. Der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln sollte bis 2030 halbiert werden. Diese Zielsetzung, so meine Wahrnehmung, war sehr rigide und ließ sich wissenschaftlich nicht begründen. Wenn ein wissenschaftlich fundiertes Reduktionsziel festschreiben wollte, dann würde das wohl eine umfassende Nutzen-Kosten-Betrachtung, vor allem mit Blick auf Gefährdung von Anwendern, Verbrauchern und Ökosystemen, erfordern. Es leuchtet ein, dass man die mit dem Einsatz von Pflanzenschutzmitteln verbundenen Gefahren soweit mindern möchte, wie es sinnvoll machbar ist – also soweit, dass der Grenznutzen des PSM den gesellschaftlichen Grenzkosten des Einsatzes entspricht. Doch nur den die Behandlungsindexzahl zu halbieren, ist plakativ und einfach, aber gesamtwirtschaftlich nicht optimal und agronomisch kaum vermittelbar.
Wir werden nicht daran vorbeikommen, die übergeordneten Ziele des Green Deals wie nachhaltige Produktionssysteme in der Landwirtschaft auf den Weg zu bringen und zu unterstützen.
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat das Ziel für 2040 neu festgelegt, 90 Prozent der Treibhausgasemissionen gegenüber 1990 zu senken, um die Klimaneutralität bis 2050 zu verwirklichen. Dazu gibt es Empfehlungen, die mehr auf Freiwilligkeit zielen. Ist das der richtige Weg?
Brümmer: Ich bin mir nicht sicher ob sich alles aus freien Stücken umsetzen lässt. Denn Freiwilligkeit ist nur dann möglich, wenn man extrem viel Geld in die Hand nimmt. Ob es sich dann noch um Freiwilligkeit handelt, darüber lässt sich trefflich streiten. Und im Lichte der geopolitischen Herausforderungen wird man sich zukünftig stärker der Aussage stellen müssen, dieses Geld haben wir nicht.
Ich gehe davon aus, dass wir auch ordnungsrechtliche Maßnahmen brauchen. Hinzu kommt die Integration von immer mehr Wirtschaftssektoren in den europäischen Emissionshandel. Dieser Kelch wird auch an der Landwirtschaft nicht vorbeigehen. Das dürfte gewisse Anpassungsprozesse in der Landwirtschaft auslösen.
Wetterextreme belasten immer mehr den Vegetationsverlauf sowie die Tierhaltung. Wie können Betriebe diese Herausforderungen in Hinblick auf Produktivität und Ressourcenschutz managen?
Brümmer: Aus rein ökonomischer Sicht bedeuten Extreme zunehmende Schwankungen beim Gewinn. Hier ist die Landwirtschaft im Vergleich zu anderen Wirtschaftszweigen mit der Bildung von Rücklagen nicht schlecht aufgestellt. Es ist eine Möglichkeit, die hilft, um mit den Schwankungen klar zu kommen. Doch wirken sich Wetterextreme beispielsweise in der Tierhaltung nicht nur zum Zeitpunkt des Auftretens auf, sondern auch darüber hinaus, wenn Kühe extrem gestresst sind. Dies hat anhaltende negative Auswirkungen auf die Milchleistung und Reproduktion.
Hier sind die Züchter gefragt und das gilt auch für den Pflanzenbau. Der Fokus liegt aktuell auf Sorten, die deutlich resilienter gegenüber Trockenstress reagieren als früher. Doch kostet Forschung Zeit und Geld. Hier muss es eine Unterstützung geben. Gleichzeitig müssen wir den Zuchtunternehmen signalisieren, dass ein produktionsorientierter Ackerbau in Europa auch künftig eine Rolle spielt und sie weiterhin für diesen Markt Sorten anbieten.
Kommen wir von der Praxis zur Agrarpolitik. Die Diskussion um die GAP-Reform ab 2028 hat die EU-Kommission Mitte Juli mit ihren Vorschlägen eröffnet. Haben die Direktzahlungen ausgedient?
Brümmer: Wir brauchen gezielte Agrarumwelt- und ordnungspolitische Maßnahmen. Die Direktzahlungen als flächengebundene Ausgleichszahlungen stammen aus der Mc-Sharrry-Reform von 1992 und das ist 2028 dann vor 36 Jahren gewesen. Mit Blick auf die Zukunft und um die Ziele der GAP zu verfolgen, sind diese Zahlungen nicht mehr gerechtfertigt. Daher werden Sie von mir sicherlich keine Verteidigungsrede für die Direktzahlungen erwarten.
Wie bewerten Sie das von der EU-Kommission geplante Ende des Zwei-Säulen Models?
Brümmer: Wenn es um die künftige Gestaltung der GAP geht, ist die Zahl der Säulen aus wissenschaftlicher Sicht eine sekundäre Frage und nicht zielführend. Die Situation ist heute schon gekünstelt. Wir haben in der 1. Säule mit den Direktzahlungen Komponenten, die direkte Agrarumweltziele in den Blick nehmen. Genauso gibt es in der 2. Säule beispielsweise mit der Investitionsförderung Felder, die nicht auf Agrarumweltmaßnahmen abzielen.
Ich kann verstehen, dass man politisch mit den Säulen und den einfach verständlichen Zahlungen aus Brüssel in den europäischen Finanzministerien planen und arbeiten kann. Daran würde, wenn ich die Interessen des Berufsstands in Brüssel vertreten sollte, politisch auch nichts ändern wollen.
Mein Vorschlag wäre, die direkte Ergebnisorientierung, was öffentliche Güter betrifft, stärker um die Komponente der Risikovorsorge zu ergänzen. Doch ist hier Vorsicht geboten, denn es könnte sich um eine Subvention auf Ebene der europäischen Union handeln. Es dürfte deshalb keinen Sinn machen, diese Risikovorsorge vollständig ohne Kofinanzierung der EU-Mitgliedsstaaten zu installieren. Denn sonst würde sich die Risikovorsorge schnell zu einem Subventionsinstrument entwickeln, was Konsequenzen auf die Anbaustrukturen von landwirtschaftlichen Produkten hätte. Diese würden dann vielleicht nicht resilienter gestaltet werden, sondern vielmehr könnte es zu größerer Risikofreude für den Anbau bestimmte Kulturen in einigen Regionen erhöhen.
Wetterextreme bleiben eine zunehmende Herausforderung. Das ist ein Feld, auf dem die Landwirtschaft durch agrarpolitische Maßnahmen besser für eine zukunftsorientierte Ausrichtung zu versorgen ist als mit Direktzahlungen.
Erachten Sie Direktzahlungen für notwendig?
Nein, diese brauchen wir in der heutigen Form nicht mehr. Wenn wir nachhaltige Produktivitätssteigerung wirklich ernst meinen, brauchen wir bei einer Berücksichtigung der nicht marktwirtschaftlichen Komponenten durchaus politische Einflussnahme, die mit Geld hinterlegt sein muss. Dann werden wir auch im Sinne der Landwirte zielgenauer arbeiten können. Bei einer pauschalen Einkommensabsicherung über Direktzahlungen, scheint mir zum einen nicht klar zu sein, wessen Einkommen abgesichert werden soll. Und zum anderen befinden wir uns in einer sozialen Marktwirtschaft. Da kann ich das Einkommensargument nicht gut nachvollziehen.