„Wir müssen zwischen Wirtschaftlichkeit und Ressourcenschutz abwägen“
Anna Catharina Voges über Nachhaltige Produktivität im Unternehmen Saat-Gut Plaußig
Die DLG schlägt einen neuen Fortschrittsbegriff vor: „Nachhaltige Produktivitätssteigerung“. Vor den DLG-Unternehmertagen am 2. und 3. September 2025 mit dem Thema „Nachhaltige Produktivitätssteigerung – Betrieb, Markt, Umwelt“ in Erfurt beantworten die Vorstandsmitglieder der DLG vorab Fragen, wie sie diesen Ansatz unter Berücksichtigung von Klimaschutz und Biodiversitätserhalt in ihrer landwirtschaftlichen Praxis umsetzen oder überführen wollen. Den Anfang macht Anna Catharina Voges, Agrarunternehmerin in Leipzig und Mitglied im DLG-Vorstand.
Welche Perspektiven bietet Ihnen eine nachhaltige Produktivitätssteigerung auf Ihrem Betrieb?
Anna Catharina Voges: Nachhaltige Produktivitätssteigerung bedeutet zunächst einmal, die Effektivität von Maßnahmen zum Ressourcenschutz und Effizienz von Anbausystemen besser zu vereinen. Bei einer nachhaltigen Produktivitätssteigerung gehen Maßnahmen zum Ressourcenschutz nicht zu Lasten der Wirtschaftlichkeit eines Produktionsverfahrens. Und umgekehrt, belastet die ökonomische Effizienz, also die Erzielung des Grenzertrags, nicht die eingesetzten Ressourcen. In unserem nach ökologischen Kriterien bewirtschafteten Betrieb erzielen wir momentan nur ungefähr 50 Prozent des vergleichbaren konventionellen Ertragsniveaus. Dies ist in erster Linie auf die Begrenzungen in der Düngung in Verbindung mit Frühjahrstrockenheit zurückzuführen. Die Produktpreise haben diesen Ertragsverlust in den vergangenen Jahren nicht ausgeglichen, mit einem Verlust an Wertschöpfung als Konsequenz.
Durch konsequente Nutzung des technischen Fortschritts, sei es in der Züchtung oder durch verbesserte Sensorik und die damit verbundenen Datenmanagement- und Datenverarbeitungsverfahren, kann es gelingen, Erträge deutlich zu steigern und gleichzeitig den Grundwasserschutz zu verbessern oder die regionale Artenvielfalt zu erhalten. Damit würde die Resilienz des Anbausystems und des ganzen Unternehmens deutlich gestärkt.
Trockenheit und Wassermangel prägen den Standort Ihres Marktfruchtbetriebs Saat-Gut Plaußig. Wie managen Sie diese Herausforderungen in Hinblick auf Produktivität und Ressourcenschutz?
Mit klassischen agronomischen Maßnahmen: einer standortangepassten Fruchtfolge, der Auswahl trockentoleranter Sorten, einer angepassten Bodenbearbeitung, Aussaat und Bestandesführung. Aber wir müssen auch immer abwägen. Die Trockentoleranz einer Sorte geht unter Umständen zu Lasten des Ertragsniveaus. Zwischenfrüchte verbessern zwar die Wasserspeicherfähigkeit des Bodens, erhöhen aber auch die Produktionskosten. Ebenso verbessert die Einzelkornsätechnik mit Unterfußdüngung die Entwicklung der Pflanzen, gerade bei Trockenheit, erhöht aber die Kosten für die Arbeitserledigung. So müssen wir also immer zwischen Wirtschaftlichkeit und Ressourcenschutz abwägen. Dabei lässt sich die Wirtschaftlichkeit gut quantifizieren, die Bewertung des Ressourcenschutzes ist hingegen momentan noch sehr subjektiv.
Wir können Maßnahmen zum Klimaschutz und zum Erhalt der Biodiversität nur dann langfristig umsetzen, wenn das Unternehmen stabile Erträge – naturelle und monetäre – erwirtschaftet.
Wie groß ist das Potenzial für eine nachhaltige Produktivitätssteigerung unter Berücksichtigung von Maßnahmen für den Klimaschutz und Biodiversitätserhalt im Ackerbau?
Ich stelle mir die Frage, welchen Weg wir denn sonst beschreiten sollten? Die Erfahrungen der vergangenen Jahre haben uns im Betrieb gezeigt, dass wir Maßnahmen zum Klimaschutz und zum Erhalt der Biodiversität nur dann langfristig umsetzen können, wenn das Unternehmen stabile Erträge – naturelle und monetäre – erwirtschaftet. Sobald die Wirtschaftlichkeit leidet, ist das System nicht mehr stabil. Die Düngeverordnung ist hierfür ein gutes Beispiel. Die drastische Reduzierung der Stickstoff-(N-)Düngung, vor allem in Roten Gebieten, reduziert natürlich den Eintrag von Stickstoff in den Boden. Gleichzeitig sinken die Erträge und die Proteingehalte, sodass wichtige Qualitätsanforderungen nicht mehr erfüllt werden. Die Wirtschaftlichkeit des Qualitätsweizenanbaus leidet deutlich.
Durch den konsequenten Einsatz technischen Fortschritts in der Züchtung kann es jedoch gelingen, Sorten mit einer besseren Stickstoffausnutzung einzusetzen. Dadurch lässt sich die Effizienz der Stickstoffdüngung steigern. Dies führt zu einem geringeren Stickstoffeinsatz, ohne dass Ertrags- und Qualitätsverluste in Kauf genommen werden müssen. Das wäre aus meiner Sicht eine nachhaltige Produktivitätssteigerung mit großem Potenzial.
Können Sie Maßnahmen wie den CO₂-Fußabdruck in einem Betriebsprozess, beispielsweise in der Mehlproduktion, konkret beschreiben?
Wir haben uns im Rahmen eines Projekts mit dem CO₂-Fußabdruck der Weizenproduktion entlang der Wertschöpfungskette beschäftigt. Einen großen Anteil daran hat die Düngerproduktion. Daher liegt es nahe, den CO₂-Fußabdruck durch die Verwendung von CO₂-reduziertem Stickstoffdünger ‚Green Ammonia‘ zu senken. Die hohen Herstellungskosten machen diesen Lösungsansatz allerdings derzeit noch unwirtschaftlich.
Zur Person
Dr. Anna Catharina Voges ist leitende Gesellschafterin des Familienbetriebs Saat-Gut Plaußig Voges KG. Der rund 2.500 Hektar große Betrieb befindet sich am Stadtrand von Leipzig. Er vereint konventionelle und biologische Landwirtschaft. Außerdem gehört zum Betrieb die Voges Kaufmannsladen GmbH & Co. KG, ein Unternehmen zur Produktion und zum Vertrieb von Mehl aus eigenem, regionalem Getreideanbau. Voges ist seit 2017 Mitglied im DLG-Gesamtausschuss, seit 2018 in der DLG-Kommission des Young Talent Award und seit 2023 Vorsitzende des Fachbeirats der DLG-Feldtage. Darüber hinaus ist die Agrarunternehmerin seit 2024 Mitglied des DLG-Vorstands und seit 2025 Vorsitzende des Ausschusses für Betriebsführung.