Aquakultur beschreibt die kontrollierte Erzeugung von Wassertieren wie Fischen, Krebsen, Muscheln und Algen in Teichen, Netzgehegen, Fließkanälen oder Becken. Eine besondere Form der Aquakultur ist die Haltung in Kreislaufanlagen: Sie geht deutlich über die bloße Erzeugung von Fisch hinaus. Aquakultur in Kreislaufanlagen steht für die konsequente Umsetzung des Gedankens der Kreislaufwirtschaft in die Praxis. Diese Erfolgsgeschichte gilt es, den Verbraucherinnen und Verbrauchern näherzubringen – über innovatives Marketing, unternehmerischen Mut und kluge Betriebskonzepte sowie effiziente Vertriebsstrukturen. Wie all das gelingen kann, darüber diskutierten Fischzüchter aus Teichwirtschaft und Kreislauftechnik sowie Vertreter aus Wissenschaft und Veterinärwesen bei der 45. Sitzung des DLG-Ausschusses für Aquakultur vor Ort bei Kaiserzander im Gewerbegebiet vor den Toren von Porta Westfalica.
Wenn Rene John und Marc Saalmann ihren Arbeitstag starten, müssen sie nicht auf wetterfeste Kleidung setzen, sondern können ihren Bestand im T-Shirt versorgen. Bei Kaiserzander in Porta Westfalica wachsen die Fische in einer geschlossenen Kreislaufanlage mit Wasseraufbereitung auf und gedeihen Jahr aus, Jahr ein bei 20 Grad Celsius. Die Temperatur ist somit stabil und vorhersehbar und steht sinnbildlich für ein System, in dem zahllose Rädchen und Arbeitsschritte ineinandergreifen und ein stimmiges Ganzes bilden.
Lückenlose Verantwortung
„Alles unter Kontrolle“ – das ist dennoch leicht gesagt bei so einem komplexen Gefüge wie der Aquakultur. Anders als bei „klassischen“ Nutztieren wie Schweinen, Rindern oder Geflügel schaffen Landwirte für Fische, Garnelen oder Algen im Kreislaufsystem eigens eine geschlossene Haltungsumgebung. Die Kreislaufanlage bildet die komplette Umwelt für die Tiere, der sie unmittelbar und unausweichlich ausgesetzt sind – und Erzeuger wie Rene John und Marc Saalmann sind lückenlos dafür verantwortlich, dass die Fische in ihrer Umgebung gedeihen können. Grund genug, nicht nur die Fischgesundheit und bedarfsgerechte Fütterung im Auge zu behalten und, wie der Schweine-, Geflügel- oder Rinderhalter, das allgemein diskutierte Tierwohl, sondern auch der Wasserqualität besondere Bedeutung beizumessen.
Für alle Reinigungsstufen des benutzten Fischwassers gibt es daher spezielle Filtersysteme, die ganz genau auf die Bedürfnisse der Aquakultur-Kandidaten abgestimmt sein müssen. Je nach Fütterung, Proteingehalt, Menge und Formulierung der Futterpellets ermöglichen mechanische und biologische Reinigungsverfahren sowie Wasseraufbereitungsprozesse eine Wiederverwendung des Produktionswassers. Das spart nicht nur Frischwasser, sondern ermöglicht dem Betrieb, Fische unabhängig von Quellen, Bächen und Flüssen zu erzeugen.
Kostenbares Gut Wasser reinigen
Warum aber all der Aufwand, das genutzte Wasser aufwändig zu filtern? Die Antwort lautet: Wasser ist ein kostbares Gut. Die Nutzung von Frischwasser erfordert eine wasserrechtliche Nutzungserlaubnis. Zur Vermeidung von sogenannten Schadeinheiten folgt der Anlagenbetreiber den behördlichen Auflagen, möglichst ohne Einträge von beispielsweise Stickstoff und Phosphor zu arbeiten und bedient sich spezieller Filtersysteme, die schwimmende Feststoffe, Stickstoffkomponenten und letztlich auch Phosphat und die Sauerstoffzehrung (CSB) reduzieren. Ein beeindruckender technologischer Ablauf, bei dem die einzelnen Filterkomponenten wie Zahnräder ineinandergreifen: Letztendlich fließt klares, sauberes Wasser aus der Kreislaufanlage.
Die Zanderfarm „Kaiserzander“ gehört zur Unternehmensgruppe glammeier+john aquakultur GmbH & Co. KG. Mit einer Jahresleistung von 100 t zählt sie zu den größten Inhouse-Fischfarmen in Deutschland. Laut Aquakulturstatistik wurden in Deutschland 2023 von circa 2.000 Betrieben 16 000 t Fische und 18000 t Muscheln erzeugt. Betrachten wir die Erträge der Kreislaufanlagen gesondert, stammen rund 2.100 t Fisch, Garnelen und Algen von 60 Betrieben. Gemessen an anderen europäische Ländern ist Deutschland ein kleines Licht in Sachen Fischerzeugung: So produzierte Norwegen als stärkstes Aquakulturland in Europa 1,4 Mio. t Lachs im Jahr 2024. Deutschland hat zudem viel Luft nach oben in Sachen Selbstversorgung: Nahezu 90 Prozent des konsumierten Fisch und Seafood werden hierzulande importiert.
Komoran und Otter setzen Erzeuger unter Druck
Die Aquafarmer Josef und Alfred Stier waren ebenfalls der Einladung des DLG-Ausschusses für Aquakultur im Mai 2025 gefolgt. Sie berichteten eindrucksvoll, wie ein teichwirtschaftlicher Traditionsbetrieb nach mehreren Generationen plötzlich eine Kreislaufanlage errichtet und nun in Bayern und Baden und Baden-Württemberg Garnelen, Zander und Forellen „inhouse“ erzeugt. Hauptgrund für diesen Schritt war der Fraßdruck durch Fressfeinde wie Kormoran und Otter, die den offenen Teichwirtschaften das Überleben schwer machen.
Der Familienbetrieb Stier machte beim Aufbau einer Kreislaufwirtschaft aber nicht bei der Aquakultur Halt: Auf dem Weg zu einer groß angelegten Kreislaufwirtschaft setzen die Stiers zusätzlich auf die Inhouse-Insektenerzeugung der schwarzen Soldatenfliege im geschlossenen System. Dabei nutzen sie die Larven nicht nur zur Insektenmehl-Herstellung, sondern auch zur Zanderfütterung. Die nächste Stufe für die Erweiterung der Kreislaufwirtschaft haben die Stiers bereits im Blick: Sie hoffen auf eine Zulassung von Reststoffen und Verarbeitungsrückständen für die Insektenfütterung und wünschen sich außerdem mehr Möglichkeiten, Photovoltaik auf Wasserflächen aufbringen zu dürfen. „Mut ist wie Veränderung…nur früher“, beschreibt Josef Stier, mit welcher Gefühlslage der Unternehmensaus- und Aufbau begleitet war.

Inhouse Farming Feed & Food Convention: Offenheit für Neues
„Sich Neuem nicht verschließen, sondern genau hinschauen und mutig innovative Konzepte entwickeln und Allianzen bilden“: Das steht als Fazit unter der 45. Sitzung des DLG-Ausschusses für Aquakultur – und dient darüber hinaus als Leitmotiv für die gesamte Inhouse-Farming-Branche. Die Inhouse Farming Feed & Food Convention, welche die DLG erstmalig am 30. September und 1. Oktober 2025 im Congress Center in Hamburg veranstaltet, bietet der gesamten Wertschöpfungskette Landwirtschaft und Ernährung eine einmalige Gelegenheit zum Netzwerken und Erfahrungsaustausch. Das neue Fach-Event der Deutschen Landwirtschafts-Gesellschaft (DLG) fördert den vertieften Wissensaustausch darüber, wie beispielsweise Insektenzucht, Aquakultur oder Vertical Farming in tragfähige Geschäftsmodelle und konkret in der Praxis umgesetzt werden können.
Herausforderung Vermarktung
Eines wurde bei der Sitzung des DLG-Ausschusses für Aquakultur klar deutlich: Die Vermarktung von Aquakultur-Kandidaten stellt Betreiber vor große Aufgaben. Häufig besteht kein direkter Kontakt zu Handel und Lieferketten; die Erzeuger sind somit zunächst auf sich gestellt. Sie müssen sich vielfältigen Herausforderungen stellen und Antworten darauf finden, wie sie frische Ware aus der Region am besten bündeln können - und worauf es generell bei der erfolgreichen Vermarktung von Fischprodukten ankommt.
Wir müssen den Kunden zum Fisch mitnehmen.
Johannes Wolf, Die Geflossenschaft
Johannes Wolfs Antwort darauf ist eindeutig: „Qualität.“ Hinzu kommen kurze Wege, Transparenz über die gesamte Wertschöpfungskette und mit anderen Betrieben Synergien schaffen. Er gründete nach einigen Jahren beruflicher Erfahrung im Fischhandel ein Vermarktungsunternehmen mit dem trefflichen Namen „Die Geflossenschaft“. Das Konzept der Geflossenschaft: „Flossen“ also Fische beziehungsweise „Ware“ von unterschiedlichen regionalen Erzeugern bündeln, um somit die Marktpräsenz, Marktstellung und kontinuierliche Verfügbarkeit der Ware zu verbessern.
Hauptzutaten für die Vermarktung: Story und Emotion
„Story und Emotionen“ sagt der Unternehmer, „das ist das, was dein Fisch für eine erfolgreiche Vermarktung braucht.“ Schnelle Medien und Stories helfen, so Wolf weiter, den Kunden zum Fisch „mitzunehmen“ - und nicht umgekehrt: Das A und O ist also, die Verbraucherinnen und Verbraucher neugierig zu machen auf die Erzeugnisse aus Aquakultur. Außerdem wichtig: Die konsequente Ausgestaltung des Gedankens der Kreislaufwirtschaft als ökologischen Vorteil des Systems mit guten Geschichten bekannt zu machen.
Weiterer Gastgeber und Referent des DLG Gremiums war Sebastian Hause, Spartenleiter Fisch der Edeka Minden, die rund 250 Fischtresen in ihrem Unternehmensnetzwerk betreibt. Ein beeindruckender Blick über den Tellerrand der Erzeugung hinweg in den Lebensmitteleinzelhandel: „Seafood ist für uns etwas ganz Besonderes“, betonte Hause.
Fisch in Szene setzen im LEH
Der Edeka-Spartenleiter berichtete über professionelle Logistik und Vertriebsstrukturen, ausgewählte Partner in der Fertigstellung der Ware für die Verkaufstresen und hob vor allem die Bedeutung einer umfassenden Schulung von Fachkräften für die erfolgreiche Vermarktung von Fisch hervor. Der Besuch vor Ort bei Marktkauf Löhne zeigte dies eindrücklich: Am neuen Fischtresen der „Fischwerker“ wurde deutlich , wie wichtig Tresendarstellung und Kompetenz der Mitarbeiter für eine erfolgreiche Vermarktung sind. „Die Fischwerker“ – so heißen bei Edeka Minden die Mitarbeitenden im Verkauf von Fisch - durchlaufen eine intensive Produkt- und Verkaufsschulung. Die Handzettel, die Tresen und die Kleidung sind in alle Filialen gebrandet. Sogar eine eigene Kundenzeitung mit Rezepten und Stories liegt für die Fischfreunde aus.
Das Thema „Fisch“ wird also vom zukunftsorientierten LEH neu entdeckt und gestaltet - raus aus der stiefmütterlichen Präsenz als Anhängsel der Fleisch- oder Molkereiprodukte. Für ausgewählte Sortimente werden selbstbewusst Regionalpartner eingebunden und Fachleute ausgebildet, die am Tresen genau das verkaufen, was Fisch und Seafood ausmacht. Vielfalt, Frische und natürlich Story und Emotionen! Edeka ist dafür beispielhaft.
Text: Dr. Birgit Schmidt-Puckhaber, DLG-Fachzentrum für Landwirtschaft und Lebensmittel; Bearbeitung: DLG-Newsroom