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Spezial zum Thema Junghahn-Mast

„Der Bio-Bereich ist und bleibt Vorreiter“

Interview mit Malte Wolter, Geschäftsführer von ab ovo bio

Malte Wolter gehört mit seinem Unternehmen ab ovo zu den Pionieren in der Aufzucht von männlichen Legehybriden, oder auch Junghähnen. Im Interview lässt er den Aufbau der Wertschöpfungskette Revue passieren und gibt seine Einschätzung zu den Zukunftsperspektiven. 
 

Was war Ihre Motivation, in die Aufzucht und Mast von Bruderhähnen einzusteigen? 

In einem ersten Schritt mussten wir, wie andere Branchenvertreter auch, auf das Verbot des Tötens von männlichen Eintagsküken in Deutschland reagieren. Dass wir im Bio-Bereich tätig sind, hat uns die Entscheidung erleichtert, in die Aufzucht von Junghähnen einzusteigen. Mittlerweile ziehen wir seit 2018 biologische und konventionelle Legehähne groß, da es in den ersten Schritten auf dem Weg zur Umsetzung der „Ohne-Küken-Töten“-Regel die Alternative zur Geschlechtsbestimmung im Ei noch nicht gab. 
 

Inwieweit war für Sie beim Einstieg in die Junghahn-Mast von Vorteil, im Bio-Bereich tätig zu sein?

Der Bio-Bereich war für dieses Konzept von Anfang an Vorreiter und ist auch weiterhin Vorreiter für die Wertschöpfungskette rund um den Junghahn. Außerdem haben wir bei der Vermarktungsschiene Bio nicht das Problem, dass der Lebensmitteleinzelhandel, kurz LEH, mit uns um den letzten Cent feilscht, entsprechend ist auch das Erlöspotenzial höher. Und das war und ist auch weiterhin ein wichtiger Aspekt, da wir 2018 mit der Aufzucht von Junghähnen einen komplett neuen Betriebszweig aufgebaut haben, der auch finanziell tragfähig sein muss.  
 

Können Sie die Aufbau-Phase näher beschreiben?

Sowohl die Aufzucht-Betriebe als auch die Schlachthöfe waren bis dahin nicht auf Junghähne ausgerichtet. Der Verladungsvorgang für die Tiere unterscheidet sich, da die Hähne größer als die Hennen sind. Und am Anfang gab es auch keine Standards für die Haltung der Junghähne. Ich bin persönlich sehr froh, dass KAT, der Verein für kontrollierte alternative Tierhaltungsformen, hier einheitliche Regelungen getroffen hat. 
 

Welche Regelungen sind das und warum waren / sind diese Standards aus Ihrer Sicht so wichtig?

KAT reguliert beispielsweise die Mindestvorgaben für Tiere pro Quadratmeter, für die Längen der Sitzstangen für die Tiere, die Anzahl der Tiere pro Trinknippel oder auch die Mindesthaltungsdauer für die Junghähne – und kontrolliert diese Vorgaben auch. Das sorgt für Wettbewerbsgleichheit und schiebt schwarzen Schafen, die dem Ansehen einer ganzen Branche schaden können, einen Riegel vor. Für die Zukunft wäre das Ahnden mit Sanktionen noch wünschenswert.
 

Wie sieht es mit der Vermarktung von Junghahn-Fleisch aus?

Auch die Fleischvermarktung musste sich erst etablieren: Anders als bei der Henne hat sich beim Junghahn schnell herausgestellt, dass die Vermarktung des Vogels als Ganzen nicht funktioniert, sondern Junghahn-Fleisch stattdessen über die Verarbeitungsschiene, also beispielsweise in Frikassees, am besten absetzbar ist. Die Schlachthenne hat einen viel höheren Fettanteil und ist bei der Schlachtung deutlich älter, wodurch ihr Fleisch milder schmeckt. Der Hahn ist bei der Schlachtung viel jünger und geschmacksintensiver. Bei Mischprodukten wie eben einem Frikassee mit 80 Prozent Hennen-Anteil und 20 Prozent Fleisch vom Hahn kommen diese geschmacklichen Unterschiede nicht so sehr zum Tragen.
 

Wie hat sich das Geschäft mit männlichen Legehybriden in Ihrem Unternehmen im Laufe der Zeit entwickelt? 

Im Jahr 2018 haben wir angefangen mit der Aufzucht von 100.000 Tieren, den Höhepunkt haben wir 2021 mit 12 Millionen Tieren erreicht. Die zuverlässigste und flexibelste Vermarktungsschiene ist für uns die Ware mit EU-Biosiegel, während sich der konventionelle Bereich zunehmend von der Bruderhahn-Vermarktung wegorientiert zur In-Ovo-Früherkennung. 
 

Was bedeutet die Umorientierung in Richtung In-Ovo-Früherkennung im konventionellen Bereich für Ihr Unternehmen? 

Wir haben in unserem konventionellen Unternehmensbereich ein System zur In-Ovo-Früherkennung im Einsatz, aber das arbeitet nicht zu 100 Prozent genau. Bei etwa 2 bis 8 Prozent der Tiere ist die Geschlechtserkennung fehlerhaft. Das bedeutet wiederum, dass auch auf dem Wege Junghähne anfallen, die vermarktet werden müssen. Im Bio-Bereich sind Masthähnchen knapper, da kann man für das Kilogramm Bruderhahnfleisch sechs bis sieben Mal mehr erlösen als für konventionelles Bruderhahnfleisch. Vor allem im konventionellen Bereich wird das Thema Bruderhahnmast daher mit dem wachsenden technischen Fortschritt bei der geschlechtlichen Früherkennung im Ei sukzessive zurückgedrängt werden – auch weil das für den LEH günstiger ist. Unsere persönliche Idealvorstellung ist für die konventionelle Schiene die non-invasive Geschlechtserkennung ab Tag Null im Ei.
 

Wann werden Systeme mit einer solchen Genauigkeit marktreif sein?

Das ist schwer zu prognostizieren, ob das noch fünf Jahre dauert oder zehn. Fakt ist, dass die Forschung an verschiedenen Verfahren arbeitet und die Entwicklung dort in den vergangenen Jahren echte Sprünge gemacht hat. Wir müssen einfach verschiedene Verfahren am Markt haben und ausprobieren, um das Beste für die Branche zu finden. 
 

Wie blicken Sie mit Ihrem Unternehmen in die Zukunft?

Wir sind davon überzeugt, dass die Eierproduktion und die Aufzucht von Jungtieren in Deutschland beispielhaft sind. Die Branche muss einfach modern und transparent sein – dann ist und bleibt sie auch attraktiv für die Kunden. Wir haben in Deutschland die beste Eierproduktion weltweit, davon bin ich überzeugt. Sonst hätte ab ovo letztes Jahr keine neue Biobrüterei in Deutschland gebaut. Für uns ist diese Investition ein klares Bekenntnis zum Standort Deutschland und zur hiesigen Landwirtschaft.
 


Interview: Stefanie Pionke, DLG-Newsroom

Zu Person und Unternehmen

Malte Wolter, 36 Jahre alt, ist Landwirt in vierter Generation und Geschäftsführer der ab ovo bio GmbH und der Seppenhagen GmbH. Der landwirtschaftliche Betrieb der Familie Wolter, die Seppenhagen GmbH, ist bereits seit 1924, somit 100 Jahren, in der Aufzucht von Junghennen aktiv und hat 2010 auf bio umgestellt. Die ab ovo bio GmbH mit Sitz im nordrheinwestfälischen Ahlen ist ein Schwesterunternehmen der ab ovo Geflügelvermehrung. Die ab ovo bio GmbH ist in der Haltung von Elterntieren, der Produktion von Bruteiern, der Aufzucht von Küken und Junghennen sowie der Aufzucht von Legehähnen aktiv. Die Legehähne verschiedener Legehybriden bleiben nach Angaben des Unternehmens circa 12 Wochen in den eigenen Aufzuchten und werden mit ungefähr 1,3 kg geschlachtet. 

DLG-Merkblatt 494

Aufzucht und Mast von männlichen Legehybriden

Das Merkblatt fasst auf der Basis praktischer Erfahrungen und unter Berücksichtigung bereits existierender gesetzlicher Regelungen die Kenntnisse zur Haltung, Fütterung und Tiergesundheit für die Aufzucht von Junghähnen zusammen.

Zum DLG-Merkblatt 494

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Spezial zum DLG-Merkblatt 494