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Machen. Jetzt.

Philipp Schulze Esking zur (neuen) Realität in der Tierhaltung

Die Ergebnisse können sich sehen lassen. Oder vielmehr: Sie müssen umgesetzt werden. Die Empfehlungen, sprich Ergebnisse des Kompetenznetzwerks Nutzierhaltung sind im breiten Konsens aus Praxis, Politik und Wissenschaft entstanden. Das besser als „Borchert-Kommission“ bekannte Gremium zeigt, was geschehen muss. Eine jüngst veröffentlichte begleitende Machbarkeitsstudie bestätigt die Kommission. Jetzt ist es an der Zeit zu handeln.

Rund ein Drittel aller deutscher Schweinemäster erklärte bereits vor zwei Jahren in einer Umfrage der Interessengemeinschaft der Schweinehalter Deutschlands (ISN), dass die „Perspektive Austeigen“ auf dem Plan steht. Bei den Ferkelerzeugern ist sogar mehr als jeder zweite Betrieb soweit. Diesen Trend komplett umzukehren, wäre derzeit utopisch, aber die Entwicklung zu stoppen ist machbar. Dafür müssen sich die Erzeuger über ihre einzelbetriebliche Situation und die Gesamtlage im Klaren sein.

So wenig wie der Einzelbetrieb das Marktgeschehen hierzulande beeinflussen kann, so wenig sind die deutschen Schweinhalter in ihrer Gesamtheit in der Lage, die europäische oder sogar globale Kostenführerschaft übernehmen zu können. Von beiden Zielen heißt es sich zu verabschieden, soweit das noch nicht geschehen ist. Andernfalls setzt sich der geschilderte Trend fort und Importware wird bei Nahrungsmitteln tierischen Ursprungs jene aus Deutschland in immer größerem Ausmaß ersetzen.

Deutsche Tierhalter müssen zweierlei erfüllen, und die Empfehlungen der Borchert-Kommission samt den Resultaten der Machbarkeitsstudie sind dafür die Blaupause: Einerseits müssen landwirtschaftliche Betriebe künftig - noch stärker als bislang - Tierwohl-Standards bieten, die weit über dem europäischen oder internationalen Niveau liegen. Für „made in Germany“ gelten eben andere Maßstäbe. Andererseits stehen die heimischen Tierhalter für hochwertige Nahrungsmittel zu Preisen, die andere als die Erzeuger bestimmen.

Und über die Differenz zwischen Verbraucherforderungen und Kaufentscheidung ist alles gesagt. Wer für Lebensmittel bester Qualität nicht mehr als nötig ausgeben will oder kann - und es angesichts der Angebotspolitik des Lebensmitteleinzelhandels auch gar nicht muss - lässt sich nicht davon abbringen.

Für eine andere Differenz, jene zwischen Kosten für mehr Tierwohl und der nicht existenten Chance, diese am Markt zu erlösen, hat die Machbarkeitsstudie drei Möglichkeiten als praktikabel und rechtlich zulässig bewertet: Verbrauchssteuer auf Fleisch, Mehrwertsteuer erhöhen oder „Tierwohl-Soli“. Die mengenbezogene Verbrauchssteuer wird als Favorit gehandelt. Entscheidend ist, dass die zusätzlichen Mittel wirklich in mehr Tierwohl fließen.

Mehr Mittel für mehr Tierwohl wirken allerdings nur, wenn die Erzeuger investieren dürfen respektive können. Bau -und umweltrechtliche Hemmnisse verhindern oder verzögern, dass neue bessere Ställe mit vorbildlichen Tierwohl-Standards überhaupt entstehen. Wenn Finanzierung und Genehmigung anders als bislang laufen, sind die (verbliebenen) Tierhalter dabei.

Der Blick in andere Politikfelder und Branchen zeigt, was möglich ist - im Guten wie im Schlechten. So wäre der breite Einstieg in die regenerativen Energien in der Bundesrepublik sicher nicht alleine am Markt und ohne staatliche Anreize gelungen. Was für den Klimaschutz gilt, muss auch für das Tierwohl gelten. Das Negativbeispiel ist die einheimische Textilproduktion - diese existiert quasi nicht mehr, aber ein Mangel an Bekleidung ist nicht zu erkennen. Lassen wir es in der Tierhaltung nicht soweit kommen, dass Nahrungsmittel tierischen Ursprungs fast ausschließlich anderenorts erzeugt und hier konsumiert werden. Dafür heißt es „machen“. Und zwar jetzt.