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Tiergesundheit

Kälberdurchfall: Kryptosporidien im Fokus

Kryptosporidien sind auf dem Vormarsch. Untersuchungen zeigen, dass sie auf fast jedem Betrieb zu finden sind. Klinisch verursachen sie, teils mit Mischinfektionen, schwere Durchfälle bei Kälbern und sind für große wirtschaftliche Schäden in der Kälberaufzucht verantwortlich. Da der Erreger einige Besonderheiten aufweist, haben Hygiene- und Biosicherheitsmaßnahmen bei der Bekämpfung hohe Priorität. 

Zu Kryptosporidien, einzelligen Darmparasiten und einem der Erreger des Krankheitskomplexes neonataler Kälberdurchfall, kann vermutlich jeder rinderhaltende Betrieb eine Erfahrung beisteuern. Auf manchen Betrieben verursacht der Erreger in den ersten Lebenstagen schlimme Durchfallerkrankungen bei den Kälbern, beim Nachbarbetrieb war der Spuk nach wenigen Tagen vorbei. Es ist aber bei genauerem Hinschauen ein allgemeiner Leistungseinbruch zu vermerken. Für 50–60 % aller Durchfallerkrankungen wird C. parvum, allein oder als Mischinfektion, verantwortlich gemacht. Bis vor Kurzem gab es noch keine Impfung, und so ist die Frage nach vorbeugenden Maßnahmen und Therapiemöglichkeiten umso relevanter. 

Kryptosporidien sind überall

Untersuchungen zeigen, dass Cryptosporidum parvum (C. parvum) so gut wie auf jedem Betrieb zu finden sind. Sie gehören neben einer Gruppe von Viren und Bakterien zu den Erregern, die die neonatale Kälberdiarrhoe auslösen können. Dieser Kälberdurchfall, der Kälber in den ersten vier Lebenswochen treffen kann, zählt neben der Kälbergrippe zu den verlustreichsten Kälbererkrankungen. Mit 28 % ist Durchfall die häufigste Todesursache bei Kälbern in den ersten vier Lebenswochen. Kryptosporidien sind keine Viren oder Bakterien, sondern parasitäre Einzeller. In ihrem Dauerstadium, als Oozysten sind Kryptosporidien sehr widerstandsfähig. Sie trotzen fast jedem Desinfektionsmittel und sind bei „normalen“ Wetterbedingungen bis zu sechs Monate ansteckend. Allein eisige Temperaturen weit unter dem Nullpunkt sowie starke Hitze und UV-Strahlung töten den Erreger ab sowie die Desinfektionsmittel, die tatsächlich für die Behandlung von Kryptosporidien zugelassen sind. Die Ansteckung erfolgt über die orale Aufnahme, das bedeutet, dass die Kälber zum Beispiel durch kotverschmierte Stalleinrichtungen, infiziertes Futter oder Wasser Oozysten aufnehmen, abschlucken und der Erreger sich bei für ihn günstigen Bedingungen im Darm vermehren kann und seine krankmachende Wirkung entfaltet. 

Impfstoff jetzt auch gegen Kryptosporidien verfügbar

Die Dosis macht das Gift. Dieser alte Lehrsatz gilt auch für Kryptosporidien. Der Erregerdruck, dem die Tiere ausgesetzt sind, spielt eine entscheidende Rolle, ob ein Kalb an Kryptosporidien erkrankt oder nicht. Tierarzt und Kälberblogger Peter Zieger hält Kryptosporidien sogar für immens wichtig: „Kryptosporidien kann man nie gänzlich ausschalten. Für das Immunsystem zum Training sind sogar vereinzelte Kryptosporidien notwendig.“ 

» Kryptosporidien kann man nie gänzlich ausschalten. Für das Immunsystem zum Training sind sogar vereinzelte Kryptosporidien notwendig. «

Es zählen aber nicht nur die Anzahl der aufgenommenen Oozysten, sondern auch die weiteren darmpathogenen Erreger wie zum Beispiel Rota- und Coronaviren oder auch Bakterien wie E. coli, ob ein Tier erkrankt. Bei den viralen und bakteriellen Erregern des Kälberdurchfallkomplexes sind sogenannte Mutterschutzimpfungen möglich. Die Muttertiere erhalten eine Impfung im letzten Trächtigkeitsdrittel und dadurch ist das Kolostrum angereichert mit Antikörpern gegen virale und bakterielle Erreger. Bei sachgerechter Kolostrumtränke der neugeborenen Kälber sind diese gut gegen die Erreger ausgestattet. Man spricht in solchen Fällen auch von einer passiven Immunisierung. Ein solcher Impfstoff gegen Cryptosporidium parvum hat auch erstmalig Anfang dieses Jahres eine EU-Zulassung erhalten und wird auch in Deutschland aller Voraussicht nach in der zweiten Jahreshälfte verfügbar sein. Es ist der erste Impfstoff, der gegen C. parvum entwickelt wurde. Nach dem Prinzip der passiven Immunisierung wird auch dieser Impfstoff an tragende Färsen und Kühe verimpft und deren Kolostrum und Transitmilch muss über mindestens fünf Tage an die Kälber verfüttert werden, um ihnen einen guten Schutz gegen den Parasiten zu bieten. 

Grundsätzlich zeigt es sich aber auch ohne Mutterschutzimpfung, dass die Kolostrumvertränkung in den ersten Lebensstunden immens darüber entscheidet, ob ein Kalb erkrankt oder nicht. Der Merkspruch der drei Q – Quickness, Quantity und Quality – für die Kolostrumtränke muss von den Betrieben gelebt werden. Tierarzt Zieger beschreibt das Risiko folgendermaßen: „Ein optimal versorgtes Kalb in einer einwandfreien Haltung hat ein sehr niedriges Erkrankungsrisiko.“ Insofern ist also nicht nur der Infektionsdruck ausschlaggebend für die krankmachende Wirkung eines Erregers, sondern mindestens ebenso bedeutend ist der Zustand des Empfängers, des Kalbes, auf den die Dosis trifft. Neugeborene Kälber kommen mit einem inkompletten Immunsystem auf die Welt. Erst die Kolostrumtränke stattet sie mit ausreichenden Immunglobulinen sowie weiteren immunmodulierenden Reagenten aus, sodass sie einigermaßen gut geschützt in die ersten Lebenswochen starten können. Wird das Kalb aber in einer stark verschmutzten (= verseuchten) Abkalbebox geboren, nimmt es ohne Kolostrumschutz direkt Erreger auf. Es kann dieser Zeitabschnitt sein, zwischen Geburt und Erstgemelkvertränkung, der entscheiden kann, ob das Kalb am vierten Lebenstag an Durchfall erkrankt oder nicht. Neben der Kolostrumversorgung sind die Hygiene der Kälberbox, die Wärmezufuhr und Stressfaktoren wie Ohrmarkeneinzug bedeutende Faktoren, die mitbestimmen, ob sich das Kalb kompetent gegen den Erregerdruck wehren kann oder nicht. 

Die Verluste, die eine schwere Kryptosporidiose nach sich zieht, sind hoch. So bezifferte eine britische Studie, dass Kälber in einem Alter von sechs Monaten nach einer schweren Kryptosporidiose im Durchschnitt 34 kg weniger Körpergewicht hatten als ihre gesunde Vergleichsgruppe.

Vorbeugende Maßnahmen 

Hygiene in der Kälberhaltung ist immer wichtig, aber sie ist noch wichtiger, wenn Kryptosporidien ein Problem sind. Wa­rum? Es ist die lange Überlebenszeit der Oozysten (sechs Monate), die große Resistenz des Erregers vor Umwelteinflüssen und Desinfektionsmitteln sowie die große Anzahl von Erregern, die infizierte Kälber und Kühe mit ihrem Kot ausscheiden, die eine besondere Herausforderung darstellen. Zur Illustration: In jedem Gramm Kot, das Kälber mit Symptomen ausscheiden, können bis zu 100 Millionen Oozysten enthalten sein.

Für die Auslösung einer Infektion reichen im Experiment schon wenige aufgenommene Oozysten. Insofern spielt die Haltungshygiene eine sehr wichtige Rolle. Die wichtigsten Stichworte sind dazu das Rein-raus-Prinzip, die Desinfektion von Kälberiglus nach jedem Wechsel, ein Tränkeeimer für jedes Kalb, Reinigung der Stiefel bzw. Stiefel für jeden Stallabschnitt. Wichtig ist auch, eine Überbelegung des Kälberbereiches zu vermeiden. 

"Mutterschutz-Impfungen senken den  Krankheitsdruck auf neugeborene Kälber. Schnelltests zeigen zur Erstdiagnose Kryptosporidien und Rotaviren an."

Mindestens ebenso wichtig ist es, das Kalb bestens zu rüsten auf seine Umgebung nach der Geburt. Und damit wären wir wieder bei der Kolostrumtränke, die schnell (in den ersten zwei Stunden nach der Geburt), qualitativ hochwertig (mindestens 22 Brix) und ausreichend (mindestens drei Liter) erfolgen sollte. Danach muss das Kalb weiterhin am besten ad ­libitum mit Milch getränkt werden.

Sinnvoll ist es sicherlich auch, in Problembetrieben die verfügbaren Mutterschutzimpfungen anzuwenden, um den Erregerdruck auf die neugeborenen Kälber zu senken. Aber es ist wichtig, im Hinterkopf zu behalten, dass diese Art der passiven Immunisierung nur dann funktioniert, wenn die Kolostrumvertränkung tatsächlich passiert!

Kryptosporidiose bei Kälbern

Erreger: Cryptosporidium parvum (protozoäre Parasiten)
Übertragung: Fäkal-oral durch infizierte Tiere oder kontaminierte Umgebung
Symptome: Durchfall, Dehydrierung, Gewichtsverlust, Appetitlosigkeit
Behandlung: Flüssigkeitsersatz, Elektrolytgaben, möglicherweise Arzneimittel
Prävention: optimale Kolostrumgabe, Hygienemanagement, sauberes Trinkwasser, betriebseigenes Biosicherheitskonzept 

Wie erkennt man Kryptosporidien-Erkrankungen bei Kälbern?

Kälber können schon in der ersten Lebenswoche an Kryptosporidien erkranken. Häufig treten auch Mischinfektionen mit Rota- und Coronaviren auf. Die klassischen Symptome sind Durchfall, grün-gelblich und stinkend beschrieben. Vorher, leider häufig unbemerkt, zeigen die Tiere aber Mattigkeit, Schwäche und Trinkunlust, hervorgerufen durch die Übersäuerung des Blutes, die der Erreger durch Schädigungen an der Darmwand hervorruft.

Es gibt Schnelltests für landwirtschaftliche Betriebe im Handel oder vom Tierarzt, die eine schnelle Erstdiagnose ermöglichen und Kryptosporidien, E. coli, Corona- oder Rotaviren anzeigen. Eine differenzierte Untersuchung bieten Labore an. Der betreuende Hoftierarzt sollte stets für den diagnostischen Nachweis und weitere Behandlungsschritte mit einbezogen werden. 

Therapiemöglichkeiten

Zur Behandlung der Kryptosporidiose stehen derzeit zwei Wirkstoffe zur Verfügung: Halofuginon reduziert die Ausscheidung der Kryptosporidien und senkt damit den Erregerdruck auch im Stall. Der antibiotische Wirkstoff Paromycin ist auch für die Anwendung bei Kryptosporidien zugelassen und kann bei erkrankten Kälbern angewendet werden. Aber es gibt auch alternative Produkte auf Pflanzenbasis oder Hefekulturen, die indirekt über eine Stärkung der Darmwand es den Kryptosporidien schwieriger machen, sich dort anzuheften. Auch ätherischen Ölen wie Oregano wird eine vorbeugende Wirkung zugeschrieben. Wichtig ist es, erkrankte Kälber zu separieren, da sie in dieser Phase massenhaft Erreger ausscheiden und somit leicht die ganze Kälbergruppe anstecken können. Symptomatisch müssen die Kälber gegen den Flüssigkeitsverlust behandelt werden mit einer oralen Rehydratation, wenn sie noch selbstständig trinken können, oder durch den Hoftierarzt eine intravenöse Flüssigkeit erhalten. Diese Flüssigkeitstherapie sollte auch immer den Säure-Basen-Haushalt im Blut ins Gleichgewicht bringen, da die Tiere durch den Flüssigkeitsverlust in eine Azidose geraten. Dies macht sich im fortgeschrittenen Stadium durch apathisches Verhalten und Saugunlust bemerkbar. Hat man die akute Phase der Erkrankung bewältigt, ist es wichtig, sich den prophylaktischen Maßnahmen zu widmen, um solche Krankheitseinbrüche zu vermeiden. Sie verursachen Tierleid, hohe wirtschaftliche Verluste, Frustration am Arbeitsplatz und können sogar eine Gefahr für die Mitarbeiter und für etwaigen Besucherverkehr darstellen. 

Was macht Kryptosporidien  im Kälberdurchfallkomplex so besonders? 

Es sind einzellige Parasiten, die in ihrem Entwicklungsstadium, der Oozyste, sehr lange infektiös sind (bis zu sechs Monate!).
Diese Oozysten sind sehr widerstandsfähig, d. h. eine einfache Reinigung mit dem Dampfdruckgerät reicht nicht aus bzw. verteilt sie eher noch im Stall.

Was muss ich über C. parvum wissen?

Wirksam gegen C. parvum sind tatsächlich nur die Desinfektionsmittel, die dafür zugelassen sind. Die dementsprechende Liste finden Sie unter www.desinfektion-dvg.de (QR-Code). Bei der Anwendung sind auch unbedingt die längeren Einwirkzeiten bei tieferen Temperaturen zu beachten!
C. parvum kann auch Kinder, Senioren, immungeschwächte Menschen infizieren und zu teils schweren Durchfallerkrankungen führen. Hier gilt es, als landwirtschaftlicher Betrieb sorgsam mit Besuchern umzugehen und das Zoonoseproblem zu kennen. 


Kristin Resch
Redaktion Milchpraxis
redaktion@dlg.org