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Finanzplanung für landwirtschaftliche Mitunternehmerinnen

„Ein Mann ist keine Altersvorsorge“

Wie kann sich Frau im Falle von Scheidung, Trennung oder Tod absichern? Finanzberaterin Ute Regina Voß appelliert an Frau (und Mann), notariell beglaubigte Verträge zu schließen und die eigenen Finanzen im Blick zu behalten.

„Über Finanzen spricht man nicht, und in der Schule lernt man nichts darüber.“ Genau das will die  unabhängige Finanzberaterin und Geschäftsführerin von frau&vermögen ändern und „Frauen stärker“ machen. Diesen Appell richtete Referentin Voß kürzlich an die Teilnehmenden des Impulsforums Abenteuer Liebe und Betrieb – Absicherung und Vermögensaufbau für Mitunternehmerinnen“ auf der DLG-Wintertagung 2024 in Leipzig.

Frauen lieben das Risiko

Finanzberaterin Voß beschönigt nichts: „Frauen leisten weltweit zwei Drittel aller Arbeit, verfügen aber nur über zehn Prozent des Lohnanteils und zwei Prozent des Vermögens“, heißt es bei den Vereinten Nationen. Im Jahr 2022 lag die Durchschnittsrente von Frauen im in Westdeutschland bei 842 Euro, Männer erhielten im Schnitt 1.200 Euro zum Leben im Alter. Voß ist es ein Anliegen, Frauen für Finanzen und Altersabsicherung zu sensibilisieren. Mit dieser trockenen Materie beschäftigen sich Frauen oft nur ungern, vor allem wenn Gefühle „im Spiel“ seien, so Voß weiter. Unvorbereitet treffen sie auf Trennung, Krankheit, Tod oder eine Überschuldung des Betriebes. Im schlimmsten Fall stünden sie vor dem Nichts – „Frauen haben weniger Geld als Männer, denn sie lieben das Risiko“, konstatiert Voß.

Individueller Ehevertrag

Paare, die heiraten, „landen“ automatisch in der Zugewinngemeinschaft. Wollen Unternehmer-Ehepaare ihre Belange individuell regeln, sowohl für den Betrieb als auch für die Person, die in den Betrieb hineingeheiratet hat, - sollten diese in einem Ehevertrag stehen. Noch wichtiger ist ein notariell beglaubigter Partnerschaftsvertrag für Paare, die nicht verheiratet seien. Denn in nichtehelichen Partnerschaften gelten nicht die gleichen Privilegien wie bei Ehepaaren: Es gibt keinen Versorgungsausgleich oder auch keine Witwenrente, weiß die Fachfrau aus der Praxis. Außerdem habe der Überlebende bei einem Erbe einen Steuerfreibetrag von 500.000 Euro. Bei nichtehelichen Partnerschaften seien es nur 20.000 Euro.

Oft bekommen Partnerinnen und Ehefrauen, die ohne Vertrag mit ihrem Partner zusammenlebten, im Todesfall einen Schock, wenn der Betrieb an den nächsten gesetzlichen Erben geht - und nicht an sie. Und dies ist der Fall bei Ehefrauen, wenn es in bestimmten Bundesländern eine Höfeordnung gibt, wie Voß betonte. Gibt es gemeinsame Kinder, erbt nicht die Frau den Hof allein, sondern teilt sich dies mit den Kindern. Sind keine Kinder da, aber noch die Eltern des Vererbenden, dann sind die Eltern erbberechtigt.

Warnung vor dem Traktorkauf

„Wenn man mit dem Partner einen Betrieb hat, gibt es einiges zu klären. Zum Beispiel die Erbfolge“, stellt die Vermögensberaterin daher fest. Voß forderte die Zuhörerinnen auf, dringend ein Testament zu erstellen und dieses jährlich auf Aktualität zu überprüfen. Voß warnte davor, Altersvorsorgeverträge zu kündigen, wenn Kinder auf die Welt kommen oder dem Partner vom eigenen Erbe einen neuen Traktor zu kaufen - ohne einen Darlehensvertrag zu verfassen. „Jeder ist für sich selbst verantwortlich“, betonte die Expertin. Sie rät, in der Partnerschaft offen über Geld zu sprechen und sich weiterzubilden: „Es geht um Selbstwert, Geldwert und Würde.“ Zumindest eine Kranken-, Private Haftpflicht- und Berufsunfähigkeitsversicherung sollte aber jede und jeder haben.

Financial Wellness

Gefühle, Fakten und Finanzen könnten nicht voneinander getrennt werden. Die Ehe oder Lebensgemeinschaft sei ein Wirtschaftsunternehmen und Finanzen und Ausgaben würden die Beziehung belasten. Wer finanzielle Sorgen habe, schlafe schlecht, könne krank werden und sei möglicherweise weniger leistungsfähig, so Voß. Geld, Glück und Gesundheit hingen eng zusammen. „Financial Wellness“ nannte Voß die Sorgenfreiheit durch finanzielle Sicherheit. Es mache richtig Spaß, sich mit Geldanlagen zu beschäftigen, so Voß. Sie empfahl, den Vermögensaufbau und die Alterssicherung auf mehrere Säulen zu stellen. Solche Säulen könnten der Betrieb oder auch Geld aus der Rentenkasse sein. Vermögen beginne im Kopf, so Voß. Wie hoch sei der Selbstwert und was stehe einem zu – „Sekt oder Selter?“

Die eigene „Schatzkiste“

Den eigenen Wert zu kennen und zu hinterfragen, war der Finanzberaterin ein besonderes Anliegen. Die Zuhörenden ermutigte sie, den eigenen Selbstwert zu erkennen und eine klare Vorstellung von den eigenen finanziellen Zielen zu entwickeln. Es sei wichtig, eine eigene „Schatzkiste“ zu haben, wie zum Beispiel eine Ausbildung oder ein eigenes Einkommen. Sich nur auf kleine Beträge aus der Rentenkasse zu verlassen, davon rät die Unternehmerin ab. Besser sei es, schon in jungen Jahren zum Beispiel in Fonds zu investieren und sich nicht vom Partner abhängig zu machen. Das Basisvermögen eines jeden stehe immer auf drei Beinen. Damit meinte Voß nicht nur das tatsächliche Geld in Form vom beruflichen Einkommen und durch eine strategische Geldanlage, auch die Ausbildung, Verhandlungskompetenz oder die Gesundheit würden eine wichtige Rolle spielen.

Der Notfallordner

Ein wichtiger Schritt zur Vorsorge ist laut Voß die Erstellung eines Notfallordners, der alle relevanten Dokumente enthält wie Testament und Darlehensverträge, Kontovollmachten und Passwörter. Aus Erfahrung mit ihren eigenen Kunden wisse sie, wie es ist, wenn keine Vorkehrungen getroffen wurden: „Eine große Katastrophe“. Abschließend appellierte Voß an alle Teilnehmenden, sich innerhalb der nächsten 72 Stunden mit ihren Finanzen zu befassen und somit ein gutes Gefühl für die Zukunft zu entwickeln. „Wer wollt ihr sein? Aschenputtel oder Sterntaler?“, gab sie den Teilnehmenden des Impulsforums zur kritischen Reflexion mit auf den Weg.


Katharina Kovacs, agrarticker.de

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