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Out of the Box: Pioniere, Perspektiven, Pflanzenbau

Pflanzenschutz hat viele Facetten: Der Werkzeugkasten für die Bestandspflege der Zukunft ist vielfältig bestückt mit bodenschonender Bewirtschaftung, Prognosemodellen und Biotechnologie. Bei der Anpassung an den Klimawandel sind lokal und kleinteilig erhobene Wetterdaten ein Erfolgsfaktor. Der Außer-Haus-Markt birgt gutes Absatzpotenzial für Öko-Erzeugnisse. Und es müssen nicht immer nur Weizen, Raps und Gerste sein: Auch alternative Kulturen wie Chia-Pflanzen finden den Weg in den Anbau. Diese und andere „out of the Box“-Ansätze standen im Mittelpunkt auf den DLG-Feldtagen 2023 vom 11. bis 13. Juni in Erwitte.

Gehen uns im Pflanzenschutz die Lösungen aus? Muss der Pflanzenschutz komplett neu gedacht werden? Diese Frage wurde am Mittwoch auf der Plaza-Stage am DLG-Stand „DLG-Plaza“ diskutiert. Unter der Moderation von Anne Ehnts-Gerdes, Redakteurin bei den DLG-Mitteilungen, drehte sich in der einstündigen Podiumsdiskussion alles um wirksame und zukunftsfähige Pflanzenschutzkonzepte.

Den Pflanzenschutz ganzheitlich denken, nicht nur vom chemischen Wirkstoff, sondern auch vom Boden her, dafür sprach sich Landwirt Martin Krist aus, Verwalter von Gut Vogelsang, das mit dem Max-Planck-Institut für Pflanzenzüchtungsforschung im Rheinland verbunden ist. Dr. Sabine Andert, Institutsleiterin am Institut für Pflanzenschutz in Ackerbau und Grünland am Julius-Kühn-Institut (JKI), pflichtete Krist bei: Der Pflanzenschutz müsse integriert gedacht werden. In den Werkzeugkasten gehören dazu die Digitalisierung mit beispielsweise Prognose-Modellen oder auch Biotechnologie.

RNAi-Wirkstoffe im Blickpunkt

Hierbei seien RNAi-Wirkstoffe interessant: RNAi, also Ribonukleinsäure-Interferenz, ermöglicht das gezielte Abschalten von Genen und kann auch zur Abwehr fremder RNAi, beispielsweise von Viren, eingesetzt werden. In den USA gebe es erste Zulassungen von RNAi-Wirkstoffen, so die JKI-Wissenschaftlerin. In Europa rechneten Experten mittelfristig mit Zulassungsanträgen.

Die Perspektiven des Ökolandbaus waren indessen Thema auf einer Podiumsdiskussion an der DLG-Plaza am Mittwochvormittag. Das Ziel der Bundesregierung, bis zum Jahr 2030 auf 30 Prozent der landwirtschaftlichen Flächen in Deutschland ökologisch zu wirtschaften, hält die Staatssekretärin im Bundeslandwirtschaftsministerium (BMEL), Silvia Bender, für durchaus ambitioniert. So sprechen viele Gründe wie der Klimawandel und Artenschwund dafür, das Ziel weiter zu verfolgen, sagte Bender. „Mit unserer Bio-Strategie 2030 haben wir einen Masterplan erarbeitet, um gute Rahmenbedingungen für den Ökolandbau zu schaffen“, sagte Bender. Der Ökolandbau erbringe zudem Pionierleistung und etabliere ein nachhaltiges Wirtschaften in der Fläche. So sei die Hacktechnik auch im konventionellen Anbau mittlerweile Mainstream.

Staatssekretärin Bender:

Außer-Haus-Verpflegung bietet Potenzial für Öko-Produkte

Bender bestätigte die Marktanalyse von Dr. Achim Schaffner, Experte für Ökolandbau im DLG-Fachzentrum Landwirtschaft, der auf „Dellen“ beim Absatz von Bioprodukten in den vergangenen Jahren verweist. Geopolitische Krisen sowie die Verteuerung von Nahrungsmitteln hätten den Bio-Boom ausgebremst.

Dennoch liegen ökologisch angebaute Nahrungsmittel aus der Region weiterhin in der Gunst der Verbraucher, so Bender. Als einen ausbaufähigen Absatzkanal von Öko-Produkten bezeichnete die Staatssekretärin die Außer-Haus-Verpflegung. „Hier finden die Verbraucher immer noch nicht die Produkte, die sie suchen. In jeder Kaserne sollten Bio-Gerichte einen Anteil von 30 Prozent haben“, formuliert Bender ihre Vision. Sie hält dafür den Aufbau von Wertschöpfungsketten für wichtig. Entsprechende Zusammenschlüsse finanziert das BMEL mit dem Förderprogramm Ökologischer Landbau. 

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“Landwirtschaft out of the Box”: Guido Höner, Chefredakteur Top Agrar, und Landwirtin Rebekka Stünkel. Foto: DLG

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Wetterexperte Jörg Kachelmann auf der DLG-Feldtage-Stage. Foto: DLG

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DLG-Präsident Hubertus Paetow und Silvia Bender, Staatssekretärin Bundeslandwirtschaftsministerium, im Austausch. Foto: DLG

Lokale Wetterdaten helfen bei der Anpassung an den Klimawandel

Gehäuft auftretende Extremwetterereignisse erfordern ebenfalls ein Umsteuern in der Landwirtschaft und ein Hinterfragen gängiger pflanzenbaulicher Konzepte. Ob das Wetter eine ausreichende Niederschlagspause für eine trockene Heuernte lässt, die Hoffnung wollte der Wetterexperte Jörg Kachelmann den Landwirtinnen und Landwirten nicht machen bei der Diskussionsrunde „Landwirtschaft im Wetterwandel – Stürme, Dürren, Hitzewellen und Starkregen“, die der Versicherungsexperte „Vereinigte Hagel“ auf der Feldtage-Stage veranstaltete. Kachelmann und die Vereinigte Hagel kooperieren bei präzisen Wetterdaten und Wettervorhersagen und bieten ihrer landwirtschaftlichen Kundschaft entsprechende Services an.

Kachelmann hält viel von lokalen Messungen zur Wetterprognose – und wenig von Bauernregeln und anderen tradierten Weisheiten: So seien die Eisheiligen in der statistischen Langzeitbetrachtung „völlig unauffällig“, was das Wetter angehe. Eine lokale Erhebung von Wetterdaten und deren Auswertung über einen langen Zeitraum könne auch hilfreich sein, um Aufschlüsse über die Entwicklung angepasster Sorten und Kulturpflanzen zu gewinnen.

Von Chia-Samen bis hin zur Regenerativen Landwirtschaft

Landwirtschaftliche Unternehmerinnen und Unternehmer, die sich unkonventioneller Geschäftsmodelle annehmen, standen passend zum Leitthema „Pflanzenbau out of the box“ auf den DLG-Feldtagen für den Know-how-Transfer bereit. Eine Pionierin für den Anbau von Chia, ein Advokat der Regenerativen Landwirtschaft sowie ein Landwirt von einem thüringischen Großbetrieb, der 20 Kulturarten im Anbau hat, bio und konventionell vereint und Hamsterschutzprogramme durchführt: Diese Bandbreite brachte „Landwirtschaft out of the Box – das Praktiker-Speeddating“ auf die Bühne der DLG-Plaza-Stage.

Dabei kann Agroforst mehrere praktische Nutzen haben, im konkreten Fall Windschutz sowie Hitzeschutz für den Hühnerauslauf. Beim Anbau von Chia sind einige Besonderheiten zu beachten: So empfiehlt sich beim Drusch, direkt einen Big Bag unter den Auslauf zu hängen, damit die Samen nicht verweht werden. Und vielfältige Kulturen im Anbau dienen auch der Risikostreuung: Wenn witterungsbedingt bei einzelnen Kulturen die Erträge leiden, läuft es bei anderen dagegen besser.


Text: Stefanie Pionke, DLG-Newsroom / Daphne Huber, DLG-Agrarticker