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Vorläufer für Marktwesen, Absatzförderung und Verbraucherinformation

Wettbewerbe, Ausstellungen, Kosthallen und Sonderausschüsse

Fragen der Absatzförderung landwirtschaftlicher Erzeugnissen waren von Anfang an eines der Anliegen bei den Überlegungen über die Qualitätswettbewerbe und den Einrichtungen von Kosthallen auf DLG-Ausstellungen. Eines der Ziele von Verkostungen und speziellen Produktinformationen auf den Ausstellungen war es, Verbraucher für bestimmte Produkte zu begeistern und neue Konsumenten zu gewinnen. Als ein Vorreiter erwies sich hierbei neben dem Weinbereich vor allem die Molkerei- und Milchwirtschaft: Auf den Ausstellungen und den Molkerei-Kosthallen machten sie erste Erfahrungen mit Verbraucher- und Qualitätsinformation sowie -werbung.

Vorreiter Molkereibereich

Der im Milchbereich hoch angesehenen Benno Martiny und der 20 Jahre jüngere Dr. Franz Josef Herz, Initiatoren der DLG-Molkereiwettbewerbe, waren Vordenker und Umsetzer nicht nur bei Qualitätssteigerung der Milcherzeugnisse, sondern auch bei Herausstellung und Imagewerbung für diese Produkte. Seit Mitte der 1890er Jahre war Dr. Herz nicht nur bei der DLG und in süddeutschen Regionen, sondern in ganz Deutschland gefragt. Impulse holte er sich auch auf milchwirtschaftlichen Ausstellungen im Ausland, so vor allem in der Schweiz und in Dänemark. Vorbereitung und Leitung vieler Butterschauen und Molkereikosthallen auf Ausstellungen lagen in seinen Händen, neben den Molkereischauen auf den DLG-Ausstellungen auch auf dem Münchner Oktoberfest. Bereits 1895 verantwortete er die Allgäuer Präsentation auf der Deutschen Molkereiausstellung in Lübeck und die Fachgruppenschau auf der Hygiene-Ausstellung in Dresden. Die „Milchfrage“, wie er es bezeichnete, war für ihn in dieser Zeit so wichtig  geworden, dass er sich für das Gesamtkonzept Qualitätswettbewerb, Kosthalle und Verbraucherwerbung einsetzte – sowohl als Mitglied im DLG-Sonderausschuss Molkereiausstellung als auch ab 1898 als Landesinspektor für Milchwirtschaft in Bayern (ab 1898). Ausgestattet mit einer exzellenten Feder, hat er auch publizistisch in den „Mitteilungen der DLG“ wie auch in anderen Fachblättern darüber geschrieben.

Sonderausschuss für Marktwesen: Absatzförderung, gemeinsame Marktforschung und Verbraucherfragen im Fokus

Die Absatzförderung aller landwirtschaftlichen Erzeugnisse sollte konkret Aufgabe des Sonderausschusses für Marktwesen sein, der 1929 gebildet wurde. Zudem sollte die Marktforschung, die zu jener Zeit an verschiedenen Stellen bereits betrieben wurde, koordiniert und zu gemeinsamen Maßnahmen gebündelt werden. Also Ansätze in Richtung eines Gemeinschaftsmarketings. Als besonders wichtig wurde der Ausbau der Statistik angesehen, wobei hier auf den Arbeiten des Sonderausschusses für Absatz mit den Aus- und Einfuhrbilanzen und den Marktinformationen aufgebaut werden konnte. Auch sind in den Ausschussberatungen immer wieder Absatzfragen von landwirtschaftlichen Erzeugnissen wie Milch, Butter, Käse, Gemüse, Obst, Eier usw. behandelt worden.

Vorüberlegungen in Richtung Markt-Abteilung

Durch die Arbeiten für die Qualitätswettbewerbe sowie die Präsentationen und Werbung für Qualitätsprodukte auf den Ausstellungen wurde den Promotoren in den Ausschüssen und bei den Produktprüfungen und Ausstellungen immer bewusster, dass die Ziele Hebung der Produktqualität und die Förderung des Absatzes für Erzeuger und einen funktionierenden Markt immer bedeutsamer wurden und sich nur in einer eigenen Markt-Abteilung erreichen ließen. Diese Notwendigkeit wurde erst jetzt erkannt, weil in den ersten Jahrzehnten der DLG Nahrungsmittel stets als „landwirtschaftliche Erzeugnisse“ bezeichnet wurden und im allgemeinen Sprachgebrauch so verankert waren. Viele Teilnehmer vor allem bei den milchwirtschaftlichen Wettbewerben der DLG waren zudem große Gutsbetriebe, die sich im Laufe des 20. Jahrhunderts dann oft zu Molkereiunternehmen entwickelten, oder handwerkliche Betriebe. Auch markiert die Jahrhundertwende bei vielen Erzeugnissen den Übergang vom handwerklichen zum industriellen Betrieb. Dies förderte natürlich auch die allmähliche Lösung vom Verständnis der Nahrungsmittel als „landwirtschaftliche Erzeugnisse“ hin zur Profilierung eines eigenständigen Bereiches Ernährungswirtschaft und ernährungswirtschaftlicher Erzeugnisse. Die Umbenennung aller zentralen Behörden in solche für „Land- und Ernährungswirtschaft“ erfolgte erst in der Phase nach dem 1. Weltkrieg und nach dem 2. Weltkrieg sogar mit umgekehrter Betonung „Ernährung und Landwirtschaft“. 

Überlegungen zur Einrichtung einer eigenen Markt-Abteilung waren daher nur eine Frage der Zeit und wurden in der DLG insbesondere in der zweiten Hälfte der 1920er Jahre konkret erörtert. Einer der Promotoren war auch hier der bekannte Göttinger Prof. Dr. Wilhelm Seedorf, der in 1920er Jahren und bei der Wiederbegründung in der DLG zu den unermüdlichen Anregern gehörte. Doch bis zur Auflösung der DLG 1933 sind diese Bemühungen noch nicht realisiert worden. Die einzelnen Abteilungen, die in ihrem Bereich von Absatzfragen tangiert waren, sollten hinzugezogen werden und mit dem Sonderausschuss und der Markt-Abteilung an Lösungswegen zusammenarbeiten. Dies galt insbesondere natürlich für die Betriebs-Abteilung. Angedacht war auch eine Zusammenarbeit mit allen Stellen in Wissenschaft und Praxis, die sich mit dem Marktwesen befassten. Ein Ergebnis dieser Zusammenarbeit sollten jährlich besondere Absatztagungen sein. Nach diesen Vorschlägen sollten auch an allen landwirtschaftlichen Lehranstalten dem Markt- und Absatzwesen stärkere Aufmerksamkeit gegeben werden und an allen Hochschulen Einrichtungen für die Marktforschung geschaffen werden.

Die Reaktionen auf die Artikel und Anträge von Prof. Seedorf zur Einrichtung einer Markt-Abteilung in der DLG lassen bereits Interessensunterschiede und Konkurrenzverhältnisse in Sachen Verbesserung des Marktwesens, der Marktbeobachtung und den Qualitätsfragen mit anderen Organisationen wie dem Deutschen Landwirtschaftsrat und den Landwirtschaftskammern deutlich werden. 

Das Marktwesen und die DLG-Ausstellungen

Das Marktwesen war auf allen Ausstellungen der DLG seit der Ausschussgründung vertreten. Durch die Beteiligung der hierfür in Frage kommenden Stellen wurde der Auftritt des Sonderausschusses immer umfangreicher. War dieser Ausstellungsteil zunächst noch in der Erzeugnishalle untergebracht, wurde sie unter der Bezeichnung „Markt und Landwirtschaft“ in erheblich größerem Umfang in einem eigenen Zelt präsentiert. Dabei wandte sich dieser Ausstellungsteil zunächst nur an die landwirtschaftlichen Erzeuger. Bemerkenswert ist der Auftritt auf der letzten DLG-Ausstellung vor der Auflösung 1933 in Berlin, denn das Konzept mit zwei Abteilungen wirkte sehr modern und zukunftsweisend. Die erste Abteilung unter dem Titel „Der Landwirt als Versorger des Marktes“ beleuchtete die Funktion des Landwirtes als Erzeuger und in der zweiten Abteilung wurde unter dem Titel „Die Hausfrau als Kunde des Landwirts“ das Verhältnis Landwirt-Verbraucher und die entscheidende Rolle der Hausfrau bei diesem Thema angesprochen. Hausfrauen und Verbraucher waren hierbei die Zielgruppen.
Bereits in den letzten Jahren vor der Auflösung der DLG sind die Weichenstellungen in Richtung eines eigenständigen Bereichs Ernährungswirtschaft und für Qualitätsprüfungen von Nahrungsmitteln und Getränke erfolgt. Mit der Einrichtung des Sonderausschusses für Marktwesen und seinen Aktivitäten war das als nächster Schritt vorgezeichnet. Als nach dem Zweiten Weltkrieg die DLG im Herbst 1947 wiederbegründet wurde, gehörte Anfang 1948 die Gründung der Marktabteilung zu den zwei wichtigsten Neuerungen der neuen DLG.

(hgb)
 

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