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Farben und ihre Einflüsse auf die sensorische Produktwahrnehmung

DLG-Expertenwissen 03/2017

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DLG Expertenwissen 2017-3

Autoren:

- Dr. Eva Derndorfer, Ernährungswissenschaftlerin und Sensorikexpertin, Beraterin, Buchautorin, Lehrbeauftragte an mehreren österreichischen Hochschulen, Wien/Österreich, eva@derndorfer.at, www.evaderndorfer.at

- Mag. Marlies Gruber, Ernährungswissenschaftlerin, Geschäftsführerin und wissenschaftliche Leiterin des forum.ernährung heute in Wien, Fach- und Sachbuchautorin, Lektorin an österreichischen Fachhochschulen, mg@forum-ernaehrung.at, www.forum-ernaehrung.at


Konsumenten haben klare, wenngleich unbewusste, Erwartungen an die Optik des Essens. Das Aussehen eines Produktes ist meist das erste sensorisch erfassbare Merkmal. Dazu zählen neben der Farbe auch die Form, die Oberflächenbeschaffenheit, Transparenz oder sichtbare Textureigenschaften. Es ist jedoch die Farbe, die am meisten hervorsticht, die Vorlieben oder Abneigungen hervorruft, die erste Information über die Produktqualität (etwa den Reifegrad) oder Produkteigenschaften (wie den Röstgrad) liefert.

1. Farbe und Sensorik

1.1. Farbsehen & Farbfehlsichtigkeit

Farben beeinflussen, wie wir ein Lebensmittel wahrnehmen – vorausgesetzt, wir sind in der Lage, Farben zu sehen. Die Netzhaut des Auges enthält zwei Arten von Photorezeptoren, Zapfen und Stäbchen. Sie wandeln einfallendes Licht – ein physikalisches Signal – in ein elektrisches Signal um, das ans Gehirn weitergeleitet wird. Drei verschiedene Zapfentypen sind für kurze, mittlere und langwellige Strahlungen, d.h. für das Farbsehen empfindlich. Stäbchen sind für das Schwarz-Weiß-Sehen verantwortlich.

Menschen mit normalem Farbsehvermögen können Farben zwar gut voneinander unterscheiden, sich an Farben zu erinnern ist hingegen deutlich schwieriger. Farbfehlsichtigkeit ist durchaus häufig, aber ungleichmäßig zwischen den Geschlechtern verteilt. So hat 1 von 12 Männern, aber nur etwa 1 von 250 Frauen ein eingeschränktes Farbsehvermögen.

  • Protanopie = Rotblindheit
  • Deuteranopie = Grünblindheit
  • Tritanopie = Blaublindheit

Das Auge ist ebenso wie die anderen Sinnesorgane von Alterungsprozessen betroffen. Im Alter ändert sich daher auch die Fähigkeit, Farben zu sehen, da die Augenlinse trüber wird.

In der Lebensmittelindustrie kann das Farbsehen bedeutend sein. Wenn Panellisten, sensorisch geschulte Prüfpersonen, Produkte in ihren Eigenschaften beschreiben, dann betrifft das üblicherweise auch die Farbe. In der Qualitätskontrolle kann die Farbtypizität instrumentell (siehe DLG Expertenwissen 4/2015) oder visuell durch Mitarbeiter erfolgen. Dafür können Referenzen in Form von Farbkarten oder Farbfächern herangezogen werden. Der Vergleich des Analyseproduktes mit einem Vergleichsmuster oder Farbstandard nennt man „Gleichheitsverfahren“.

1.2. Einfluss der Lebensmittelfarbe auf die sensorische Produktwahrnehmung

Die Farbe eines Lebensmittels erzeugt eine bestimmte Produkterwartung. Gelbe Desserts werden von Kindheit an mit Vanille verknüpft, gelernt durch die Farbe von Vanilleeis und Pudding, obwohl Vanilleschoten schwarz sind. Rot wird mit fruchtig und reif, grün hingegen mit mangelnder Reife assoziiert, denn grüne und zugleich reife Früchte (Granny Smith Apfel) oder Fruchtgemüse (Green Zebra Tomate) sind eher selten.

Das Auge kann durch die hervorgerufene Produkterwartung andere Sinne täuschen. Rosa eingefärbter Chardonnay wurde in einer Studie von ungeschulten Testern am fruchtigsten, aber mit dem wenigsten Körper, der wenigsten Reife und Komplexität bewertet. Wurde der Wein rot eingefärbt, bekam er den meisten Körper, die meiste Reife und Komplexität attestiert.

1.3. Einfluss des Geschirrs auf die sensorische Produktwahrnehmung

Der Einfluss des Geschirrs auf die Wahrnehmung von Speisen und Getränken wurde erst in den letzten Jahren verstärkt untersucht. Dessen Farbe kann auf zwei Weisen wirken: es kann die empfundenen Intensität von Speisen verstärken oder abschwächen, und es kann eine Erwartungshaltung generieren, welche die Verkostung beeinflusst.

Einer Studie zufolge schmeckt Erdbeermousse auf einem weißen Teller intensiver, süßer und besser als auf einem schwarzen Teller. Heiße Trinkschokolade mundet unterschiedlich gut in Abhängigkeit von der Becherfarbe. Im orangen Becher wurde die heiße Schokolade am besten bewertet, auch steigerte ein oranger Becher die Empfindung für Schokoladengeschmack im Vergleich zu einem roten oder weißen Becher.

1.4. Einfluss der Umgebungsfarbe auf die sensorische Produktwahrnehmung

Auch die Umgebungsfarbe bzw. die Beleuchtung kann die Wahrnehmung eines Lebensmittels beeinflussen. Das beginnt im Lebensmittelhandel beim Einkauf, und endet beim Konsum. Erste Studien zeigten Aufschlussreiches: Britische Testpersonen charakterisierten den gleichen Whisky je nach Raum unterschiedlich – im grünen Raum am grasigsten, im roten Raum am süßesten und im holzigen Raum am holzigsten. Der Wille, Äpfel zu essen, erwies sich bei gelbem Licht am größten, gefolgt von weißem Licht. Geringer war er bei roter oder grüner Beleuchtung, und am geringsten bei blauem Licht. Auch bei roter Paprika lösten gelbes und weißes Licht den größten Willen aus, das Gemüse zu essen. Die bewertete Knackigkeit der Äpfel und Paprika blieb von der Lichtfarbe unbeeinflusst. Butter wurde als streichfähiger empfunden, wenn sie gelber erschien. Bei Rotlicht wurde den gelberen Butterproben in einer Studie hingegen keine höhere Streichfähigkeit attestiert.

1.5. Konsequenzen für die Sensorikpraxis

Da sämtliche Umgebungsfarben die Wahrnehmung des zu testenden Produktes beeinflussen können, werden Sensorik-Labore in weiß, beige oder hellgrau eingerichtet. Licht und Geschirr werden konstant gehalten. Will man die Farbe des Prüfgutes maskieren, werden einschlägige Gläser (z.B. schwarze Weingläser, blaue Olivenöl-Verkostungsgläser) verwendet oder wird Farblicht eingeschaltet.

Panellisten, die Produktfarben bewerten sollen, werden hinsichtlich Farbsehen bzw. Farbdifferenzierung überprüft. Das kann mit Hilfe eines Ishiharatests erfolgen, bei dem Zahlen auf Farbtafeln erkannt werden müssen. Eine weitere Möglichkeit ist die Erstellung von Farblösungen, die von den Testpersonen in die richtige Reihenfolge gebracht werden müssen. Details zur Herstellung der Farblösungen sind in DIN EN ISO 8586 zu finden.

Auch bei DLG-Prämierungen ist die Farbe ein Qualitätskriterium bei vielen Produkten, etwa bei Fruchtsäften. Bei Brot wird auf die Bräunung geachtet, bei Käse auf etwaige unnatürliche Farbe, und bei Brühwürsten ob diese zu blass oder zu dunkel, ungleichmäßig oder missfarben sind.

2. Farbstoffe in Lebensmitteln

Viele Lebensmittel enthalten von Natur aus Farbstoffe in hoher Konzentration. Auffällig und ungewöhnlich ist das beispielsweise bei blauen Kartoffeln, violetten Blumenkohl oder schwarzem Mais. Dabei handelt es sich um Raritäten- oder alte Sorten, die jedoch kaum in der industriellen Verarbeitung eingesetzt werden, wie violette Maischips.

2.1. Färbende Lebensmittel vs. Farbstoffe (Zusatzstoffe)

Rote Beete, Spinat, Hibiskus, Kurkuma, Tomaten, Weintrauben, Paprika oder Karotten zählen zu den färbenden Lebensmitteln. Sie gelten als Zutat, weisen neben ihren färbenden Qualitäten die jeweilig aromatisierende oder ernährungsphysiologische Wirkung auf und unterliegen im Gegensatz zu Zusatzstoffen keiner Höchstmengenbegrenzung, Deklarationspflicht und Kennzeichnung mit E-Nummern. Sie werden zur Färbung von Getränken, Süßwaren, Milchprodukten, Fruchtzubereitungen und Eiscreme eingesetzt. Ob es sich um ein färbendes Lebensmittel oder einen Zusatzstoff natürlicher Herkunft handelt, hängt vom Behandlungs- und Technologieverfahren ab. Ohne Anwendung physikalisch chemischer Trennverfahren wie Umkehrosmose oder Extraktionsverfahren, ist das Produkt ein färbendes Lebensmittel, ebenso wie bei Aufkonzentrieren durch Wasserverslust bei Temperatureinwirkung. Werden bei der Extraktion färbende Inhaltsstoffe nicht selektiv angereichert, ist das Erzeugnis ebenfalls in der Regel ein färbendes Lebensmittel. Kommt es jedoch zur selektiven Anreicherung, dominieren die färbenden Eigenschaften und sind andere charakteristische Merkmale wie Geruch oder Geschmack verloren gegangen, handelt es sich um Farbstoffe, z. B. bei Betanin (E 162), dem Farbstoff der roten Beete, oder Chlorophyll (E 140), das aus grünen Pflanzen gewonnen wird, wie Spinat. Zur Abgrenzung färbender Lebensmittel von Farbstoffen hat die Europäische Kommission 2013 eine Leitlinie verabschiedet (Guidance Notes on the classification of food extracts with colouring properties). Farbstoffe aus natürlichen Rohstoffen, die keine Lebensmittel sind, und aus Ausgangsmaterialien nicht natürlicher Herkunft sind immer Zusatzstoffe. Der Vorteil von rein synthetischen Farbstoffen im Vergleich zu den natürlichen Farbstoffen liegt darin, dass sie wärme- und lichtstabil sind.

Farbstoffe zählen zu den Zusatzstoffen (E-Nummern). Geregelt sind E-Nummern in der EU-Verordnung 1333/2008 (FIAP — food improvement agents package). Farbstoffe rangieren zwischen E 100 und E 180 (vgl. Tabelle).

Tab.1: Übersicht der bei der Lebensmittelherstellung zugelassenen Farbstoffe

FarbeNameE-Nummerhauptsächliche Verwendung in
orange-gelbKurkuminE 100Currypulver, Margarine,
gelb; orange-gelbRiboflavin; LaktoflavinE 101Cremespeisen, Mayonnaise, Suppen, Pudding
gelbRiboflavin 5-phosphatE 101aMayonnaise, Nudeln, Suppen
zitronengelbTartrazinE 102Brausepulver, Fruchtessenzen, Aromalikör
gelbChinolingelbE 104Puddingpulver, Räucherfisch, Ostereierfarbe
gelb-orangeGelborange SE 110Aprikosenmarmelade, Fertigsuppen, Käsesauce, Marzipan,
rotEchtes Karmin (Cochenille)E 120alkoholische Getränke, Käse
rotAzorubinE 122Pudding, Fertigprodukte, Süßwaren
rotAmaranthE 123Liköre, Fischrogen
rotCochenillerot AE 124Fruchgelees, Lachsersatz, Süßwaren
rosaErythrosinE 127Konservenfrüchte, Cocktailkirschen
rotAllurarot ACE 129Speiseeis, Süßwaren
blauPatentblau VE 131Glasuren, Getränke, Süßwaren
blauIndigotinE 132Glasuren, Getränke, Süßwaren
blauBrillantblau FCFE133Zuckerwaren, Getränke
grünChlorophyll, ChlorophyllineE 140Kaugummi, Süßwaren
grünKupferkomplexe der Chlorophylle und ChlorophyllineE 141Kaugummi, Süßwaren
grün bis blauGrün SE 142Süßwaren
braun-schwarzZuckerkulörE 150 a-dBackwaren, Essig, Spirituosen
schwarzBrillantschwarzE 151Fischrogen, Lakritze, Saucen
schwarzPflanzenkohleE 153Wachsüberzüge (Käse)
Gelblich-BraunBraun FKE 154Geräucherte Heringe
Rötlich-braunBraun HTE 155Zuckerwaren
orange bis gelbCarotin und CarotinoideE 160 a -fButter, Käse, Margarine, Marzipan, Konfitüren, Zuckerwaren, Cremse, Saucen
gelbLuteinE 161 bZuckerwaren
Orange-rotCanthaxanthinE 161 gFranz. Wurst: Saucisses de Strasbourg
rotBetaninE 162Fruchtgelees, Kaugummi, Saucen
rot bis blauAnthocyaneE 163Getränke, Süßwaren
grau-weißCalciumcarbonatE 170Kaugummi, Lebensmittelverzierungen
weißTitandioxidE 171Dragees, Süßwaren
gelb, rot, schwarzEisenoxide; EisenhydroxideE 172Dragees, Süßwaren
silbernAluminiumE 173Oberflächen von Dragees und Süßwaren
silbernSilberE 174Oberflächen von Dragees und Süßwaren
goldenGoldE 175Oberflächen von Dragees und Süßwaren
rotRubinpigment, Litholrubin BKE 180Wachsüberzüge für Käse

2.2. Zweck und Historie

Der Zusatz von Farbstoffen kann sinnvoll sein, weil zum einen das Lebensmittel seine ursprüngliche Farbe bei der Herstellung oder Lagerung verlieren oder verändern kann, zum anderen Licht, Luft, Hitze und Feuchtigkeit die Farbe beeinflussen. Zum Beispiel sieht Erdbeerkonfitüre weniger rot aus, wenn sie Licht ausgesetzt ist. Ferner dienen Farbstoffe dazu, den Farbton von Lebensmitteln verschiedener Chargen anzugleichen. Zugesetzte Farbstoffe oder färbende Lebensmittel helfen demnach, die ursprüngliche Farbe zu erhalten, oder es werden damit die natürlichen Farben verstärkt.

Farbstoffe werden bereits seit 400 v. Chr. in der Lebensmittelproduktion eingesetzt. Damals wurde Wein bei den frühen Ägyptern und Römern mit Kräutern und Gewürzen gefärbt, um ihn attraktiver zu machen. Synthetische Farben sind im späten 19. Jhdt. entwickelt worden, ebenfalls aus Dekorationszwecken und um Lebensmittel qualitativ hochwertiger erscheinen zu lassen. In dieser Zeit waren Farbzusätze noch giftig und es gab keine rechtlichen Vorgaben. Ab dem frühen 20 Jhdt. wurden Farbzusatzstoffe in den USA sowie in Europa weit verbreitet eingesetzt. Bis zur Entwicklung der synthetischen Farbstoffgewinnung wurden Farben aus tierischen, mineralischen und pflanzlichen Quellen verwendet.

2.3. Zulassung, Sicherheitsbewertungen und Neubewertungen von Farbstoffen

In der EU gilt für Zusatzstoffe das Verbotsprinzip mit Erlaubnisvorbehalt, d. h. Zusatzstoffe sind grundsätzlich verboten, es sei denn, ihre Zulassung wird ausdrücklich erlaubt (Prinzip der Positivlisten). Die Zulassung erfolgt durch die Europäische Kommission auf Basis einer Stellungnahme der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) im Komitologieverfahren. Zusatzstoffe, Aromen und Enzyme dürfen in Lebensmitteln eingesetzt werden, wenn sie technisch notwendig, sicher – also gesundheitlich unbedenklich – und nicht irreführend sind.

Im Rahmen der laufenden Neubewertung aller Lebensmittelzusatzstoffe, die in der Europäischen Union bereits vor dem 20. Januar 2009 zugelassen waren, hat das EFSA-Sachverständigengremium für Lebensmittelzusatzstoffe (ANS-Gremium) wissenschaftliche Gutachten zu Lebensmittelfarbstoffen erstellt. Die EFSA definiert für jeden Zusatzstoff den sogenannten ADI-Wert (Acceptable Daily Intake). Der ADI-Wert ist die Menge eines Stoffes, die Menschen ohne nennenswertes Gesundheitsrisiko ein Leben lang täglich aufnehmen können. Der ADI-Wert basiert auf der höchsten Aufnahmemenge, bei welcher der betreffende Stoff in Tierversuchen keine schädlichen Wirkungen verursacht. Um Unterschieden zwischen Tieren und Menschen Rechnung zu tragen, wird das Ergebnis (der No-observed-effect-Level) mit einem Faktor 10 multipliziert und ein weiterer Sicherheitsfaktor von 10 angelegt, um empfindliche und nicht ideal ernährte Menschen zu schützen. Dies bedeutet also, dass selbst bei einer Überschreitung des ADI-Wertes für einen bestimmten Stoff nicht unbedingt gesundheitsschädliche Wirkungen zu erwarten sind.

Bewertung von Azofarbstoffen

Die EFSA kam in ihrem Gutachten von 2008 zu dem in späteren Bewertungen bestätigten Ergebnis, dass die wissenschaftlichen Erkenntnisse, einschließlich der „Southampton-Studie“, keinen Kausalzusammenhang zwischen den einzelnen Farbstoffen und möglichen Auswirkungen auf das Verhalten belegen. Dennoch müssen Lebensmittel mit den Farbstoffen Gelborange S (E110), Chinolingelb (E 104), Azorubin (E 122), Allurarot (E 129), Tartrazin (E 102) und Cochenillerot A (E 124) seit 20.7.2010 neben ihrer Kennzeichnung (Klassenname, gefolgt vom spezifischen Namen oder der E-Nummer) den Warnhinweis „Kann Aktivität und Aufmerksamkeit bei Kindern beinträchtigen“ tragen.

2.4. Farbe und Clean Labelling

Eine kritische Haltung vieler Konsumenten gegenüber Zusatzstoffen sowie die immer strenger werdenden Kennzeichnungsvorschriften führen bei Produzenten zu unterschiedlichen Reaktionen. Aus werbe- und verkaufstechnischen Gründen oder aus dem Bemühen um mehr „Natürlichkeit“ der Lebensmittel entscheiden sich Hersteller oftmals für

  • das Vermeiden von Zusatzstoffen,
  • den Ersatz von deklarationsfreien, natürlichen Stoffen mit ähnlicher Wirkung,
  • technische Maßnahmen zur Bildung von Zusatzstoffen in situ oder zur Auslösung von ähnlichen Effekten.

Als Ergebnis ist ein „Clean Label“ möglich, es informiert über die Abwesenheit oder Nicht-Verwendung bestimmter Zutaten, die vom Verbraucher negativ bewertet werden, wie Zusatzstoffe (E-Nummern), darunter auch Farbstoffe. Häufig kommen demnach zusatzstoffähnliche Zutaten wie Säfte oder Konzentrate von Frucht- und Gemüsesäften anstelle von Farbstoffen zum Einsatz (vgl. färbende Lebensmittel).

Obwohl „cleane“ Lebensmittel grundsätzlich sicher und qualitativ hochwertig sind und der Tatbestand der Irreführung nicht erfüllt ist, führt das Verwenden von zusatzstoffähnlichen Zutaten in der Verbrauchereinschätzung dennoch häufig zu einer „gefühlten“ Täuschung. In einer Umfrage des BMELV im Mai 2013 reagierten 26 % der Befragten auf die Aussage „Ohne Farbstoffe, aber mit Karottensaft gefärbt“ mit „Ich fühle mich getäuscht“, 13 % mit „Ich fühle mich auf jeden Fall getäuscht“. Das ist erstaunlich: Karottensaft und Karottensuppe werden auch wegen der schönen Färbung geschätzt, aber ein Fruchtjoghurt, das damit gefärbt wurde, wird abgelehnt.

3. Implikationen für die Praxis

3.1. Produzenten

Farbgestaltung betrifft nicht nur Verpackung und Rezepturen des generellen Sortiments, sondern auch saisonale und eventbezogene limitierte Chargen, etwa Produkte zu Halloween, Nikolaus, sportliche Großveranstaltungen, Hochzeiten usw.

Im Ready-to-Eat-Segment können intensive Farberlebnisse mitunter zu einem Mehrkonsum führen. Dabei kann eine Kombination monochromer Sorten für mehr Aufmerksamkeit sorgen als mehrfärbige Angebote. Ebenso lässt sich im TK-Segment monochrom kombinieren. Darüber hinaus können Hersteller Konsumenten neue Ideen und Verwendungsmöglichkeiten liefern, etwa in Form monochromer Rezeptideen.

Zielgruppen, die besonders auf einfärbige oder farblich sortierte Speisen ansprechen sind Kinder und Senioren. So zeigt sich, dass Kinder und Erwachsene mehr essen, wenn Geleekugeln in 24 statt 6 Farben angeboten werden. Das trifft aber nur dann zu, wenn diese nach Farben sortiert vorliegen. Gemüsemischungen punkten bei Kindern häufig nicht, selbst wenn die einzelnen Bestandteile sehr wohl beliebt sind. Daher sind Kinderprodukte oft „bunt-einfärbig“ und in Farben gestaltet, die mitunter für Erwachsene wenig ansprechend sind, zum Beispiel blaues Eis.

Auf intensive Farben jedoch wird im höheren Alter wieder deutlich mehr Wert gelegt. Gerade bei der Produktentwicklung für die Gemeinschaftsentwicklung ist es wesentlich, dass Bestandteile der Gerichte erkennbar und farblich differenzierbar sind. Generell ändern sich die Ansprüche an das Lebensmittelangebot mit dem Alter: Acht von zehn der 60- bis 79-Jährigen gaben bei einer Befragung an, dass sich ab Mitte 50 die Bedürfnisse beim Einkauf von denen jüngerer Generationen zu unterscheiden beginnen. Nicht nur leichter lesbare Produktinformationen, praktischere Öffnungsmechanismen und kleinere Packungsgrößen sind zunehmend gewünscht, auch dass Lebensmittel naturbelassen sind und aus der Region kommen, spielt zunehmend eine größere Rolle.

3.2. Handel

Warum nicht einmal die Frischeabteilung nach Farben sortieren und nicht nach Sorten? Ebenso könnten Fruchtjoghurts nicht nach Marke, sondern nach Sorte und Farbe geschlichtet sein. Monochrome Promotions sind auffälliger in einem ohnehin bunten Angebot.

Viele Handelsketten geben Kundenmagazine mit Rezepten heraus. Je nach saisonal verfügbaren Farben und Region bieten sich auch hier monochrome Speisenideen an. Auf diese Weise lassen sich „Saisonal und regional“ verkaufen, ohne diese Schlagworte überzustrapazieren.

4. Black & White Food

Welche Lebensmittel sind schwarz oder weiß? In Tabelle 2 haben wir die natürliche Vielfalt der Nichtfarben in Lebensmitteln zusammengestellt. Man findet sie auch in alten und speziellen Obst- und Gemüsesorten, wie weiße Erdbeeren, weiße Melanzani oder schwarze Chili. Damit die weiße Farbe erhalten bleibt, ist bei der Zubereitung auf Niedertemperaturgaren zu achten. Für schwarze Lebensmitteln sind in erster Linie Anthocyane in hochkonzentrierter Form verantwortlich, in Sepia ist es grauschwarzes Melanin. Schwarz eingefärbt werden Lebensmittel mithilfe von Brillantschwarz, Zuckerkulör oder Pflanzenkohle. Weiße Lebensmittel enthalten keine Farbpigmente. Weiß gefärbt werden Lebensmittel mit Calciumcarbonat oder Titandioxid.

Durch industrielle oder küchentechnische Zubereitung entstehen ebenfalls schwarze oder weiße Lebensmittel. Schwarz kann durch Wenden in der Asche (z. B. Käse) oder Garen in Pflanzenkohle oder Grillen entstehen, Weiß zum Beispiel durch Aufschlagen von Eiklar, bei Fett in Wasser-Emulsionen, oder durch Mischen von Raki mit Wasser.

    Was bewirkt die Reduktion auf schwarz/weiß beim Zubereiten und Essen? Vor allem wird die Kreativität gesteigert (Abb. 5). Die bewusste Limitierung erweitert den kulinarischen und sensorischen Horizont.

    Besondere Anlässe für schwarze und/oder weiße Speisen sind traditionelle Anlässe wie Taufe, Erstkommunion, Hochzeit, Begräbnis. Darüber hinaus sprechen bestimmte Zielgruppen auf diese Reduktion an:

    • Foodies, Trendsetter, neugierige Konsumenten
    • Kreative, Architekten, Künstler, Ästheten
    • Sensoriker, Köche, Fachpersonal im Lebensmittelsektor

    Tab. 2: Weiße und Schwarze Lebensmittel

     weißschwarz
    Obst & Gemüse• Weiße Zwiebel
    • Knoblauch
    • Jungzwiebeln oder Lauch, weißer Anteil
    • Pastinake
    • Petersilienwurzel
    • Mairüben
    • Rettich
    • Meerrettich
    • Sellerie
    • Schwarzwurzeln
    • Weißer Spargel
    • Topinambur
    • Kohlrabi
    • Blumenkohl
    • Fenchel
    • weiße Melanzani
    • Pilze: Kräuterseitlinge, Buchenpilze, Champignons, weiße Trüffel
    • Sojasprossen
    • Chicoree
    • Weiße Beeren: Johannisbeeren, Erdbeeren, Maulbeeren
    • Litschi
    • Fermentierter Knoblauch
    • Oliven
    • Schwarzer Gemüsepaprika
    • Schwarzviolette Spitzpaprika
    • Peruanische Wildtomate
    • Chili poblano
    • Pilze: Mu Err, Chinesisches Holzohr, schwarze Trüffel
    • Algen (Meeresspaghetti)
    • Seegurke
    • Schwarze Beeren: Johannisbeeren, Aronia, Brombeeren, Holunder, Jostabeeren, schwarze Himbeeren und Maubeeren
    • Dörrpflaumen
    • Korinthen
    • Chia (fälschlicherweise oft als Samen bezeichnet)
    Getreide &
    -produkte,
    Pseudo­cerealien
    • Weißmehl und Weißmehlprodukte
    • Tramezzinibrot, Weißbrotkrume
    • weißer Mais- und Weizengrieß
    • Reis, Reisnudeln, Reiswaffeln
    • Weißer Quinoa
    • Amaranth gepufft, Popcorn
    • Schwarzer Reis
    • Schwarze Reisnudeln
    • Schwarzer Quinoa
    • Schwarzer Mais
    • Sepia-Pasta
    Hülsenfrüchte
    und -produkte
    • Tofu
    • Glasnudeln
    • Schwarze Linsen
    • Schwarze Kichererbsen
    • Schwarze Bohnen
    • Schwarze Sojabohnen
    Nüsse &
    Samen
    • Kokosnuss
    • Mandeln
    • Weißmohn
    • weißer Sesam
    • Schwarzer Sesam 
    Milchprodukte• weiße Palette: Milch, Joghurt, saure Sahne, süße Sahne, …
    • Schaf- und Ziegenkäse
    • Mozzarella
    • Butter
    • Asche auf Käse
    Fleisch, Fisch & Ei• Schweineschmalz
    • Lardo
    • Markknochen
    • Weißwurst
    • Heilbutt, Kabeljau, Butterfisch, Scholle
    • Tintenfisch
    • Jakobsmuschel
    • Eischnee
    • Sepiatinte
    • Kaviar
    • Blutwurst
    • manche Insekten
    Sonstige• Zucker, Zuckerwatte
    • Windbäckerei
    • Salz
    • Raki mit Wasser vermischt
    • essbare weiße Blüten (Holunder, …)
    • Lakritz
    • Schwarzer Pfeffer
    • Lavasalz
    • Pimentkörner
    • Schwarzkümmel
    • Wacholderbeeren
    • Vanillemark
    • Schwarztee

    5. Fazit

    Fokus auf Farben und Nichtfarben kann Lebensmittelhersteller, Gastronomen und Handel neue Ideen für Produkte, Speisen, Platzierungen und Promotions eröffnen. Monochromes Essen fördert eine saisonale und regionale Produktauswahl. Einfarbige Speisen oder Limitierte Editions in einer Farbe erzeugen vor allem in einem monochromen Gesamtsetting Aufmerksamkeit und fördern die bewusste Sinneswahrnehmung.

     

    Fotos:
    A. Baierl, E. Derndorfer, M. Gruber (alle außer Abb. 6)

    Literatur (Auswahl):

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    • Derndorfer E., Gruber M.: Farben essen. Maudrich Verlag, 2015.
    • DIN EN ISO 8586
    • Glogowski S. Ernährungstrend: Clean Eating. Ernährungs Umschau 62(7): M381
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